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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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zu übersehen, und er sich bald mit Trinkgeld füllte.
    Einer der Wagen diente als Büro und Schlafzimmer von Madame und ihrem Adoptivsohn, dem Kind mit der Trommel, in dem andern reisten zusammengepfercht die jungen Frauen, und die Anhänger waren in je zwei Schlafzimmer verwandelt worden. Jedes war mit bunten Tüchern ausgekleidet und enthielt ein Feldbett mit vier Pfosten und einem Baldachin, an dem ein Moskitonetz hing, ferner einen Spiegel mit vergoldetem Rahmen, eine Waschvorrichtung und ein Becken aus Steingut, persische Läufer, verblichen und mit ein paar Mottenlöchern verziert, aber immer noch ansehnlich, und gut bestückte Kerzenhalter zur Beleuchtung. Diese Theaterdekoration animierte die Kunden, verdeckte den Reisestaub und den Lärm bei Benutzung. Während zwei der Frauen zur Musik tanzten, betrieben die beiden anderen in aller Eile ihr Geschäft in den Anhängern. Die Madame, die die Karten mit Hexenfingern handhabte, vernachlässigte weder die Spieltische noch die Pflicht, den Preis für die Dienste ihrer Täubchen im voraus zu kassieren, Rum zu verkaufen und die Festivität anzuheizen, und immer mit der Pfeife zwischen den Zähnen. Eliza spielte die Lieder, die sie in Erinnerung hatte, und als ihr das Repertoire ausging, fing sie mit dem ersten wieder an, ohne daß einer die Wiederholung bemerkte, bis sich ihre Augen vor Erschöpfung trübten. Als der Koloß sie schwanken sah, kündigte er eine Pause an, sammelte das Geld aus dem Sombrero und steckte es ihr in die Taschen, dann nahm er sie unter den Arm und trug sie praktisch zu dem ersten Wagen, wo er ihr ein Glas Rum in die Hand drücken wollte. Sie wehrte mit einer kraftlosen Bewegung ab, Rum auf nüchternen Magen wäre einem Knüppelhieb direkt ins Genick gleichgekommen; da kramte er in dem Durchein– ander von Kisten und Töpfen und förderte ein Brot mit ein paar Zwiebelringen zutage, auf das sie sich zitternd stürzte. Als sie es verschlungen hatte, hob sie den Blick und sah den Riesen mit den Wolfsfellen an, der sie aus furchterregender Höhe herab musterte. Ein kindliches Lächeln mit den weißesten und ebenmäßigsten Zähnen der Welt erhellte sein Gesicht.
    »Du hast ein Gesicht wie eine Frau«, sagte er, und sie zuckte zusammen.
    »Ich heiße Elias Andieta«, entgegnete sie und hob die Hand zu ihrer Pistole, als wäre sie bereit, ihren Namen auf Männerart mit Schüssen zu verteidigen.
    »Ich bin Babalú, der Böse.«
    »Gibt’s auch einen guten Babalú?«
    »Gab es.«
    »Was ist mit ihm passiert?«
    »Er ist mit mir zusammengetroffen. Woher kommst du, Junge?«
    »Aus Chile. Ich suche meinen Bruder. Haben Sie vielleicht etwas von einem Joaquín Andieta gehört?«
    »Ich hab von niemandem gehört. Aber wenn dein Bruder die Eier am rechten Fleck hat, wird er uns früher oder später besuchen. Jeder kennt die Mädchen von Joe Bonecrusher.«

Geschäfte
    Kapitän John Sommers ankerte die »Fortuna« in der Bucht von San Francisco in ausreichender Entfernung vom Ufer, damit nicht einmal ein Wagehals auf den kühnen Gedanken kam, ins Wasser zu springen und an Land zu schwimmen. Er hatte die Mannschaft gewarnt, das kalte Wasser und die Strömungen würden jeden in weniger als zwanzig Minuten erledigen, wenn es nicht die Haie schon früher besorgten. Es war seine zweite Reise mit dem Eis, und er fühlte sich jetzt sicherer. Bevor sie in den engen Golden-Gate-Kanal einfuhren, ließ er mehrere Fässer mit Rum öffnen, verteilte ihn großzügig unter den Matrosen, und als sie betrunken waren, zog er zwei Pistolen und befahl ihnen, sich mit dem Gesicht nach unten aufs Deck zu legen. Der Erste Offizier fesselte sie mit Fußeisen zur Bestürzung der Passagiere, die in Valparaíso an Bord gekommen waren und die Szene vom Oberdeck aus mit ansahen und sich fragten, was zum Teufel da vor sich ging.
    Inzwischen hatten die Brüder Rodríguez de Santa Cruz eine Bootsflottille vom Kai losgeschickt, um die Passagiere und die kostbare Fracht des Dampfschiffes an Land zu schaffen. Die Matrosen würden befreit werden, sobald sie zur Heimfahrt den Anker einholen mußten und nachdem sie noch mehr Alkohol bekommen hätten und einen Bonus in echten Gold und Silbermünzen, der das Doppelte ihrer Heuer betragen würde. Das entschädigte sie zwar nicht dafür, daß sie nun nicht landeinwärts auf Goldsuche verschwinden konnten, wie die meisten geplant hatten, aber es war doch ein kleiner Trost. Die gleiche Methode hatte John Sommers auf der ersten Reise angewandt, und

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