Fortunas Tochter
waren. So konnte er einen Hirsch binnen zwei Tagen vertilgen.
Seit er die Küche des Klavierspielers kannte, verfeinerte sich sein Geschmack, er ging jeden Tag auf die Jagd, wählte die schmackhafteste Beute aus und lieferte sie gesäubert und gehäutet ab.
Wenn sie unterwegs waren, ritt Eliza auf ihrem robusten Gaul, der trotz seines kläglichen Aussehens soviel Feuer hatte wie ein Vollbluthengst, an der Spitze der Karawane, das nutzlose Gewehr quer in das Geschirr gesteckt und den Trommelknaben hinter sich auf der Kruppe des Pferdes. Sie fühlte sich so wohl in Männersachen, daß sie sich fragte, ob sie je wohl wieder Lust haben würde, sich als Frau zu kleiden. Eins aber wußte sie genau: sie würde nie wieder ein Korsett anziehen, nicht einmal am Tag ihrer Hochzeit mit Joaquín. Wenn sie an einen Fluß kamen, nutzten die Frauen das aus, um Trinkwasser in Fäßchen abzufüllen, Wäsche zu waschen und zu baden; dies waren für Eliza die schwierigsten Zeiten, sie mußte jedesmal weiter hergeholte Ausreden erfinden, um sich ohne Zeugen zu säubern.
Joe Bonecrusher war eine stämmige Holländerin aus Pennsylvania, die ihre Bestimmung in den Weiten des Westens gefunden hatte. Sie hatte Talent für Zauberkunst– stückchen mit Karten und Würfeln, Mogelei beim Spiel begeisterte sie. So hatte sie sich den Unterhalt mit Wetten verdient, bis sie auf den Einfall kam, das Geschäft mit den Mädchen aufzuziehen und die Mutterader mit ihren »Goldeselchen abzugrasen«, wie sie diese praktische Form der Mineralgewinnung nannte. Sie war sicher, daß der junge Klavierspieler homosexuell war, und deswegen brachte sie ihm eine Zuneigung entgegen ähnlich der, die sie für den kleinen Indianer fühlte. Sie erlaubte nicht, daß die Mädchen ihn verspotteten oder Babalú ihn mit einschlägigen Spitznamen bedachte: der arme Junge konnte doch nichts dafür, daß er ohne Barthaare und mit diesem zarten Äußeren geboren war, genauso wie es nicht ihre Schuld war, als Mann im - allerdings mächtigen - Körper einer Frau zur Welt gekommen zu sein. Das waren so Späße, wie sie dem lieben Gott einfielen, bloß um einen zu plagen. Den Jungen hatte sie für dreißig Dollar ein paar herumziehenden Yankees abgekauft, die den übrigen Stamm zusammengeschossen hatten. Er war damals vier oder fünf Jahre alt und nur noch ein Skelett mit dem Bauch voller Würmer, aber nach wenigen Monaten, in denen sie ihn mit Gewalt gefüttert und seine Wutanfälle gebändigt hatte, damit er nicht alles zerstörte, was ihm in die Hände fiel, oder den Kopf gegen die Wagenräder schlug, da war der Kleine schon eine Handbreit größer geworden, und seine Kriegernatur kam zum Vorschein: er war standhaft, verschlossen und geduldig. Sie nannte ihn Tom No Tribe, damit er seine Pflicht zur Rache nicht vergaß. »Der Name ist mit dem Sein untrennbar verbun– den«, sagten die Indianer, und Joe dachte ebenso, deshalb hatte sie auch ihren eigenen Nachnamen erfunden.
Die Täubchen der Karawane waren: zwei Schwestern aus Missouri, die die lange Reise über Land gemacht und unterwegs ihre Familien verloren hatten; Esther, eine Achtzehnjährige, die ihrem Vater ausgerissen war, einem religiösen Fanatiker, von dem sie ständig Prügel bezogen hatte; und eine schöne Mexikanerin, Tochter eines Grin– gos und einer Indianerin, die als Weiße galt und vier französische Sätze gelernt hatte, um die Ahnungslosen zu täuschen, denn dem Volksmythos zufolge waren die Französinnen die erfahrensten Liebhaberinnen. Die vier Frauen dankten dem Schicksal, daß es sie mit Joe Bonecrusher zusammengeführt hatte. Esther war die ein– zige ohne jede Erfahrung, die drei andern hatten schon in San Francisco gearbeitet und kannten das harte Prosti– tuiertenleben. Sie waren nicht in die Salons der besseren Klasse gelangt, sie kannten Schläge, Krankheiten, Drogen und die Bösartigkeit der Zuhälter, hatten sich zahlreiche Infektionen zugezogen, Roßkuren ertragen und so viel Aborte gehabt, daß sie unfruchtbar geworden waren, was sie aber keineswegs beklagten, sie betrachteten es als Segen. Aus dieser Welt voller Gemeinheiten hatte Joe sie gerettet und mitgenommen, weit fort von San Francisco. Dann hatte sie ihnen in der langen Qual der Enthaltsam– keit beigestanden, um ihnen die Sucht nach Opium und Alkohol zu nehmen. Die Frauen vergalten es ihr mit töchterlicher Anhänglichkeit, weil sie sie gerecht behan– delte und sie nicht ausplünderte. Die furchteinflößende Gegenwart
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