Fortunas Tochter
Zimmer, ließ Löcher in die Verbindungswand bohren und verkaufte gegen eine Unze Gold das Vorrecht, sie anzuschauen. Die Freunde folgten Jacob Freemont gutgelaunt, und für ein paar Dollar Schmiergeld durften sie aus der Schlange ausscheren und unter den ersten eintreten. Sie gelangten in ein schmales Zimmer voller Tabakrauch, in dem sich ein Dutzend Männer drängte, die Nasen an die Wand geklebt. Das Freundesquartett blickte durch die unbequemen Gucklöcher, wobei sie sich wie Schuljungen vorkamen, und sahen im anderen Zimmer eine schöne junge Frau in einem Kimono aus Seide, der von der Taille bis zu den Füßen offenstand.
Darunter war sie nackt. Die Zuschauer stöhnten bei jeder ihrer schmachtenden Bewegungen, die immer einen anderen Teil ihres lieblichen Körpers enthüllte. John Sommers und die Brüder Rodríguez de Santa Cruz bogen sich vor Lachen, sie konnten einfach nicht glauben, daß das Bedürfnis nach Frauen solche Blüten trieb. Darauf trennten sie sich, und der Kapitän trank mit dem Zeitungsmann noch ein letztes Glas. Nachdem er Jacobs Geschichten von Reisen und Abenteuern zugehört hatte, beschloß er, sich ihm anzuvertrauen.
»Erinnern Sie sich an Eliza, das Mädchen, das bei meinen Geschwistern in Valparaíso lebte?«
»Sehr gut sogar.«
»Sie ist vor nun fast einem Jahr ausgerissen, und ich habe gute Gründe anzunehmen, daß sie in Kalifornien ist. Ich habe gesucht, aber niemand hat von ihr gehört oder von jemandem, auf den die Beschreibung paßt.«
»Die einzigen Frauen, die allein hier ankommen, sind Prostituierte.«
»Ich weiß nicht, wie sie hergekommen ist, falls sie es denn getan hat. Sicher wissen wir jedenfalls, daß sie auf der Suche nach ihrem Liebsten ist, einem jungen Chilenen namens Joaquín Andieta…«
»Joaquín Andieta! Den kenne ich, er war mein Freund in Chile.«
»Er ist ein Flüchtling vor der Justiz. Er ist des Diebstahls angeklagt.«
»Das glaube ich nicht. Andieta ist ein sehr edel denkender junger Mann. In Wirklichkeit hat er soviel Stolz und Ehrgefühl, daß es schwierig für mich war, ihm näherzukommen. Und Sie sagen mir, Eliza und er sind ein Liebespaar?«
»Ich weiß nur, daß er sich im Dezember 1848 nach Kali– fornien eingeschifft hat. Zwei Monate später verschwand das Mädchen. Meine Schwester glaubt, sie ist Andieta ge– folgt, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie sie das angestellt hat, ohne eine Spur zu hinterlassen.
Wenn Sie durch die Camps und Dörfer im Norden kommen, vielleicht finden Sie etwas heraus…«
»Ich werde tun, was ich kann, Kapitän.«
»Meine Geschwister und ich werden Ihnen ewig dankbar sein, Jacob.«
Eliza blieb bei der Karawane von Joe Bonecrusher, wo sie Klavier spielte und sich das Trinkgeld zur Hälfte mit Madame teilte. Sie kaufte ein Liederbuch mit populären amerikanischen und eins mit lateinamerikanischen Wie– sen, um die abendlichen Tanzvergnügen zu bereichern, und in den Stunden, in denen sie nicht am Klavier saß, lehrte sie den Indianerjungen lesen, half bei den vielfäl– tigen täglichen Arbeiten und kochte. Und wie jeder aus der Truppe sagte: so gut hatten sie noch nie gegessen.
Aus altgewohntem Trockenfleisch, Bohnen und Speck bereitete sie schmackhafte Gerichte zu, wie sie ihr der Augenblick eingab; sie kaufte mexikanische Gewürze und fügte sie den chilenischen Rezepten Mama Fresias hinzu, mit köstlichen Ergebnissen; sie backte Torten ohne mehr Zutaten als Zucker, Fett, Mehl und eingemachte Früchte, aber wenn sie Eier und Milch ergattern konnte, erhob sich ihre Inspiration zu himmlischen gastronomischen Gipfeln. Babalú der Böse hielt gar nichts davon, daß Männer kochten, aber er war der erste, der die Festmahle des jungen Klavierspielers hinunterschlang, wobei er sich entschlossen jeder sarkastischen Bemerkung enthielt. Der Riese war es gewohnt, die Nacht hindurch Wache zu halten, und schlief sich dafür tagsüber gründlich aus, aber kaum erreichte der prickelnde Geruch aus den Kasserollen seinen Nasenkolben, wachte er sofort auf und postierte sich in der Nähe der Küche, um ja nichts zu verpassen. Er war mit einem unstillbaren Appetit geschlagen, und jede Haushaltskasse wäre überfordert gewesen, seinen ein– drucksvollen Bauch zu füllen. Bevor der Chilenito kam, wie sie den falschen Elias Andieta nannten, hatte seine Hauptnahrung aus Tieren bestanden, die er erlegte, der Länge nach aufschnitt, mit einer Handvoll grobem Salz würzte und auf die Glut packte, bis sie fast verkohlt
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