Fortunas Tochter
Babalús entmutigte gewalttätige Kunden und hielt ihnen widerliche Betrunkene vom Hals, sie bekamen gut zu essen, und die fahrenden Wagen empfanden sie als anregend für Gesundheit und Gemüt. In diesen unend– lichen Bergen und Wäldern fühlten sie sich frei. Nichts war leicht oder romantisch in ihrem Leben, aber sie hatten ein wenig Geld gespart und hätten gehen können, wenn sie das wollten, dennoch blieben sie, weil sie mit dieser kleinen Gruppe Menschen etwas hatten, was einer Familie am nächsten kam.
Auch Joe Bonecrushers Mädchen waren überzeugt, daß der junge Elias Andieta mit dieser schmächtigen Figur und der Flötenstimme ein warmer Bruder war. Deshalb konnten sie sich vor ihm in aller Ruhe ausziehen, sich waschen und über alles reden, als gehörte er zu ihnen.
Sie akzeptierten Eliza so selbstverständlich, daß sie oft ihre Männerrolle vergaß, auch wenn Babalú es übernom– men hatte, sie daran zu erinnern. Er hatte es sich zur Aufgabe gesetzt, aus diesem Angsthasen einen richtigen Kerl zu machen, beobachtete ihn ständig und war immer darauf aus, ihn zurechtzuweisen, etwa, wenn er sich mit geschlossenen Beinen hinsetzte oder mit einer ganz und gar nicht männlichen Bewegung die kurze Mähne schüttelte. Er lehrte ihn, seine Waffen zu reinigen und einzufetten, verlor aber die Geduld, als er versuchte, ihm das Zielen beizubringen: jedesmal, wenn sein Schüler den Hahn durchzog, machte er die Augen zu. Elias Andietas Bibel beeindruckte ihn nicht, im Gegenteil, er argwöhnte, der Junge benutze sie, um seine Zimperlichkeit zu recht– fertigen, und er fand, wenn der Bengel kein verdammter Prediger werden wollte, warum zum Teufel mußte er dann so dämliches Zeug lesen, er sollte sich lieber mit den schweinischen Büchern befassen, da würden ihm schon ein paar Männergedanken kommen. Er selbst konnte gerade mal eben seinen Namen schreiben, und lesen machte ihm gräßliche Mühe, aber das hätte er nicht ums Verrecken zugegeben. Er sagte, seine Augen seien so schlecht geworden und er könne die Buchstaben nicht richtig sehen, dabei konnte er einem verängstigten Hasen aus hundert Meter Entfernung genau zwischen die Augen schießen. Er gewöhnte sich an, den Chilenito zu bitten, ihm die veralteten Zeitungen und Bonecrushers erotische Bücher vorzulesen, nicht so sehr der unanständigen Stellen halber, als vielmehr wegen der Liebesromanze, die ihn immer mächtig rührte.
Es handelte sich immer und unabänderlich um glühende Liebe zwischen einem Angehörigen des europäischen Adels und einer Plebejerin oder manchmal umgekehrt um eine aristokratische Dame, die den Verstand verlor um eines ungebildeten, aber ehrenhaften und stolzen Mannes willen. In diesen Erzählungen waren die Frauen immer bildschön und die Liebhaber unermüdlich in ihrer Glut. Zwar gab es auch hier eine ununterbrochene Folge von Orgien, aber im Unterschied zu anderen pornographischen Geschichtchen zu zehn Cents, die hier und dort verkauft wurden, hatten diese einen Inhalt.
Eliza las sie laut vor, ohne Überraschung zu zeigen, als käme sie gerade aus den schlimmsten Lasterhöhlen zu– rück, während um sie herum Babalú und drei der Täub– chen atemlos staunend zuhörten. Esther nahm an diesen Sitzungen nicht teil, denn sie hielt es für eine größere Sünde, diese Handlungen zu beschreiben, als sie zu begehen. Elizas Ohren brannten, aber sie mußte doch die unerwartete Eleganz anerkennen, mit der diese Schweine– reien geschrieben waren: einige Sätze erinnerten sie an den makellosen Stil von Miss Rose. Joe Bonecrusher, die die fleischliche Leidenschaft in keiner ihrer Formen auch nur im geringsten interessierte, weshalb diese Lesungen sie auch nur langweilten, achtete vor allem darauf, daß nicht ein Wort von alldem die unschuldigen Ohren von Tom No Tribe verletzte. »Ich erziehe ihn zum Indianer– häuptling, nicht zum Zuhälter«, sagte sie, und in ihrem Bestreben, einen Mann aus ihm zu machen, erlaubte sie auch nicht, daß der Junge sie Großmutter nannte.
»Ich bin von niemandem die Großmutter, verflucht noch mal! Ich bin die Bonecrusher, hast du das verstanden, verdammte Rotznase?«
»Ja, Großmutter.«
Babalú der Böse, ein Exsträfling aus Chicago, hatte lange vor dem Ausbruch des Goldfiebers zu Fuß den Kontinent durchquert. Er konnte Indianersprachen und hatte alles mögliche gemacht, um sich sein Brot zu verdienen, vom Phänomen in einem Wanderzirkus, wo er sich ein Pferd über den Kopf hob, wie er auch
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