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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Quäker, der das Geschäft dieser Weibs– person mißbilligte, aber immer bereit war, seinem Nächsten zu helfen. Joe machte für den Kranken etwas zu essen, wusch ihn und seine Wäsche, tröstete ihn und las ihm zum hundertsten Mal die Briefe seiner fernen Familie vor, während Babalú und der Schmied Schnee fegten, Wasser holten und Holz hackten, das sie neben dem Ofen stapelten. Wenn es dem Mann sehr schlecht ging, wickelte Joe ihn in Decken, legte ihn quer wie einen Sack vor sich auf ihr Pferd und nahm ihn mit zu sich nach Hause, wo die Frauen ihn wie richtige Krankenschwestern pflegten und froh waren über die Gelegenheit, sich einmal tugendhaft fühlen zu können. Viel konnten sie nicht tun, außer die Kranken zu zwingen, literweise gezuckerten Tee zu trinken, damit sie nicht völlig austrockneten, sie sauber, zugedeckt und ruhig zu halten in der Hoffnung, daß der Durchfall ihnen nicht die Seele leerte und das Fieber nicht die Sinne zerkochte.
    Einige starben, und die übrigen brauchten Wochen, um in die Welt zurückzukehren. Joe war die einzige, die eifrig und geschickt dem Winter trotzte und noch die einsamsten Hütten aufsuchte, wobei sie oft Leichen entdecken mußte, die zu Kristallfiguren gefroren waren. Nicht alle waren Opfer der Krankheit, bisweilen hatte der Mann sich schlicht in den Mund geschossen, weil er die Krämpfe in seinem Bauch, die Einsamkeit und den Fieberwahnsinn nicht durchhielt. Zweimal mußte Joe ihr Geschäft schließen, weil der Fußboden in ihrem Schuppen vollge– packt war mit Schlafsäcken und sonstigem Bettzeug und ihre Täubchen mit der Pflege der Patienten nicht nach– kamen. Der Sheriff von High Gallows wurde bleich, wenn sie mit ihrer holländischen Pfeife erschien und mit ihrer drängenden rauhen Prophetenstimme um Unterstützung ersuchte. Keiner konnte sich ihr verweigern. Dieselben Männer, die mit ihren Gewalttätigkeiten das Dorf in Verruf gebracht hatten, ließen sich ganz zahm von ihr zu allem möglichen anstellen. Mit etwas Ähnlichem wie einem Krankenhaus konnten sie nicht rechnen, der einzige Arzt war überfordert, und sie übernahm ganz selbstver– ständlich die Aufgabe, Hilfskräfte zu mobilisieren, wenn es sich um einen dringenden Fall handelte. Die Glück– lichen, denen sie das Leben rettete, wurden ihre ergebenen Schuldner, und so knüpfte sie in diesem Winter das Netz, das sie später bei dem Brand tatsächlich auffangen würde.
    Der Schmied hieß James Morton und war auch eines dieser seltenen Exemplare der Art guter Mensch. Er empfand eine nicht zu erschütternde Liebe für die gesamte Menschheit einschließlich seiner weltanschaulichen Geg– ner, die er als Irrende aus Unwissenheit und nicht aus innerer Schlechtigkeit ansah. Da er selber einer Gemein– heit nicht fähig war, konnte er sie sich auch in seinem Nächsten nicht recht vorstellen, er glaubte lieber, die Verderbtheit anderer sei eine Verkrümmung des Charakters, die durch das Licht der Frömmigkeit und der Zuneigung geheilt werden könne. Er entstammte einer weitverzweigten Sippe von Quäkern aus Ohio, wo er zusammen mit seinen Brüdern in einer geheimen Kette der Solidarität mit geflohenen Sklaven mitgearbeitet hatte, um sie zu verstecken und in die Nordstaaten und nach Kanada zu schaffen. Ihre Unternehmungen zogen den Zorn der Sklavenhalter auf sich, und eines Nachts fiel ein Pöbelhaufen über die Farm her und steckte sie in Brand, während die Familie unbeweglich zusah, weil sie ihrem Glauben getreu keine Waffen gegen ihresgleichen erheben durften. Die Mortons mußten ihr Land aufgeben und zerstreuten sich, hielten aber immer enge Verbindung, weil sie dem menschenfreundlichen Netz der Abolitio– nisten angehörten. James hielt Goldsuchen für keinen ehrenhaften Weg, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten, es stellte nichts her und leistete auch keine Dienste. Reichtum erniedrigt die Seele, verwirrt das Leben und erzeugt Unglück, daran hielt er fest. Außerdem war das Gold ein weiches Metall und ungeeignet, Werkzeuge daraus herzustellen; er konnte die Faszination nicht begreifen, die es auf andere ausübte. Hochgewachsen, kräftig, mit einem dichten haselnußbraunen Bart, himmel– blauen Augen und starken, von unzähligen Brandnarben gezeichneten Armen war er der wiedergeborene Gott Vulkan, angestrahlt von der Glut seines Schmiedefeuers. In High Gallows gab es nur drei Quäker, arbeitsame Familienmenschen, immer zufrieden mit ihrem Schicksal, die einzigen, die nicht fluchten, keinen

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