Fortune de France: Roman (German Edition)
einen vieldeutigen Blick zu, doch in seiner Unschuld wandte der seine hellen Augen nicht von Escorgol, ganzin dessen Erzählung vertieft und zuweilen die Stirn runzelnd, wenn ein provenzalisches Wort ihn verwunderte.
Neben dem großen Kamin – in den Winternächten sollte ein Feuer unseren Torwächter wach halten – stieg, eingelassen in die dicke Wand, eine steinerne Wendeltreppe nach oben, so eng und gewunden, daß die Möbelstücke für das Gemach, welches Diane mit ihrer Kammerjungfer teilte, durch das Fenster hochgezogen werden mußten. Im Kamin dort oben, der genau über dem unseren lag, loderte auf Geheiß meines Vaters ein starkes Feuer, und wenn einer die Ohren spitzte, wie François es tat, konnte er das Zischen und Knistern der brennenden Holzscheite hören.
Im zweiten Geschoß endete die Wendeltreppe vor einer starken Eichentür, welche auf jeder Seite einen Riegel trug; doch an ihrem unteren Ende war die Treppe offen, und man konnte sehen, wie die ersten Stufen sich um die Spindel wanden, gut erhellt durch ein hübsches Fensterchen in der Mauerwölbung, welches indes durch ebendiese Wölbung unserem Blick entzogen war, so daß allein das einfallende goldene Licht zu sehen war auf den schönen ockerfarbenen Stufen, die Jonas in den Stein gehauen hatte. Ich erinnere mich, wie mein Blick, indes ich auf einem Schemel saß und unserem Escorgol lauschte, durch den Raum schweifte und gar oft auf dieser lichtumglänzten, geheimnisvollen Höhlung verweilte, worinnen die Steinstufen sich um den Schaft bis zu jener verriegelten Tür emporwanden, hinter der die Eingeschlossene lebte, welche wir stets nur von weitem an ihrem Fenster zu Gesicht bekamen. Für mich war der Gedanke an sie nichts als ein angenehmes Spiel der Phantasie, doch um den armen François, welcher – wie die kleine Hélix sagte – ihr gänzlich auf den Leim gekrochen war, stand es ganz anders. Mit traurigen Augen starrte er auf den strahlenden Fußpunkt der sich emporwindenden Stufen wie auf den verbotenen Eingang des Gartens Eden.
Escorgol hielt unversehens inne und sprach, die Augen schließend:
»Aufgepaßt! Ich höre jemanden kommen!«
Ich trat an das enge Fenster über den Pechnasen und blickte auf den unbefestigten Weg, welcher vom Beunes-Grund zum Torhaus heraufführte. Doch ich sah nichts und hörte auch nichts außer einigen Vogelstimmen. Samson hatte sich zu mir gesellt und spitzte ebenfalls die Ohren.
Währenddessen schloß Escorgol, welcher eine neben seinem Bett stehende Arkebuse zur Hand genommen, von neuem die Augen, lauschte und sagte dann, die Waffe wieder wegstellend:
»Es kommt nur eine einzelne Person, welche barfüßig geht.«
Worauf er sich neben uns stellte und über unsere Köpfe hinweg auf den noch leeren Weg hinabblickte. François rührte sich nicht von der Stelle, sondern verharrte, in einen einzigen Gedanken versunken, auf seinem Sitz.
Ganz am Ende des vom Beunes-Flusse aufsteigenden Weges tauchte jetzt ein Kopf auf, dann ein Oberkörper und schließlich die ganze Gestalt. Nach dem Gang zu urteilen, handelte es sich ganz zweifellos um eine Frau. Als sie näher kam, ward ich gewahr, daß ihr das üppige schwarze Haar fast die Augen verdeckte und sie kaum Kleider auf dem Leibe trug, so daß ihre Beine und die halbe Brust unverhüllt waren. Ansonsten war sie von kräftiger Gestalt und trotz ihrer Lumpen von stolzem Gebaren.
»Was führt dich hierher, Jungfer?« fragte Escorgol von seinem Fenster herab, sie halb begehrlich, halb mißtrauisch betrachtend. »Wenn du ein Almosen willst, dann ziehe weiter. Heute wird nichts gegeben.«
»Ich bin keine Bettlerin«, erwiderte die Jungfer selbstsicher. »Ich komme, die Herren von Mespech wegen des Steinbrechers Jonas zu sprechen.«
»Dich kenne ich doch«, rief ich da, mich über den steinernen Fenstersims beugend. »Du bist die Sarrazine, welche der Zigeunerhauptmann vor vier Jahren als Geisel dagelassen und die mein Oheim Sauveterre dann auf Volperie zu Montignac in Dienst gegeben hat.«
»Ganz recht, ich bin die Sarrazine«, erwiderte sie stolz erhobenen Hauptes, als wäre ihr Name ein klangvoller Titel.
»Da Ihr sie kennt«, sprach Escorgol, uns jedem einen Dolch reichend, »so steiget hinab und öffnet ihr die Fußgängerpforte, doch leget hinter ihr sogleich wieder alle drei Riegel vor. Ich bleibe hier auf meinem Wachposten.«
Ich eilte die kleine Wendelstiege hinab, welche auf der anderen Seite des Kamins die Fortsetzung der nach oben führenden Treppe
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