Fortune de France: Roman (German Edition)
Zigeunerhauptmann gefesselt. Doch hat er sich recht liebenswürdig gezeigt, als er mich in seine Höhle kommen sah.«
»Das will ich wohl glauben«, sprach mein Vater.
»Er hat mir Ziegenmilch zu trinken gegeben, und da ich ermattet war und seine Wölfin auf dem Boden ruhte, hieß er mich niederlegen und bettete meinen Kopf an ihre Flanke, die ich streicheln sollte. Dann legte er sich neben mich, und ich sprach zu ihm: ›Auch du hast einen hübschen Pelz auf der Brust, Jonas.‹ Und begann, ihn mit der anderen Hand zu kraulen. Als ich nun so die beiden Pelze streichelte, indes die Wölfin leise dabei knurrte und Jonas mich mit großen Augen anblickte, hatte ich plötzlich wie durch Zauberkraft das Kränzlein meiner Jungfernschaft verloren.«
Es folgte ein langes Schweigen auf diesen Bericht, der uns drei ins Grübeln brachte, ja: uns drei, denn selbst mein braver Bruder Samson errötete.
»Dazu bedurfte es wohl keiner großen Zauberkraft«, sprach Jean de Siorac schließlich.
Sarrazine blinkte mehrmals mit den Augen. »Und doch hat er mir Gewalt angetan.«
»Ein ganz klein wenig wohl«, entgegnete mein Vater. »Doch wenn du so darauf beharrst, muß ich meine grundherrliche Gerichtsbarkeit ausüben und Jonas ungesäumt zum Galgen verurteilen.«
»O nein! Das nicht!« rief Sarrazine leidenschaftlich, ihre Mähne schüttelnd. »Man kann ihn doch nicht hängen – jetzt, da ich ihn heiraten will!«
»Nachtragend scheinst du nicht zu sein!« bemerkte mein Vater. »Und Jonas?«
»Auch er will die Heirat, und zwar auf Eure hugenottische Art.«
»Bist du nicht katholisch?« fragte mein Vater, wieder ganz ernst.
»Ich bin im islamischen Glauben aufgewachsen«, antwortete Sarrazine treuherzig. »Später haben die Zigeuner eine Katholikin aus mir gemacht. Und von nun an werde ich der Religion meines Ehegemahls anhängen.«
»Was heißen soll: der Ehegemahl ist einen Glaubenswechsel wert. Also dann freue dich, Sarrazine«, sprach Jean de Siorac, »du sollst den weiten Weg von Volperie zur Höhle nicht umsonst gemacht haben!«
»Ich habe auch wieder und wieder an ihn denken müssen inden vier Jahren, denn ein schöneres und stärkeres Mannsbild ist mir noch nirgendwo begegnet.«
Mein Vater lachte:
»Nun ist die Sache also beschlossen, Sarrazine.«
Doch sie erwiderte mit ernster Miene:
»Noch nicht ganz, Moussu lou Baron. Ich mag nicht wie eine Wilde zusammen mit Ziegen und einer Wölfin in einer Höhle hausen. Jonas soll es erlaubt werden, sich ein Haus über der Höhle zu bauen.«
»Das also war des Pudels Kern, du Spitzbübin!« sprach mein Vater lachend.
In diesem Augenblick waren auf der Treppe die hinkenden Schritte Sauveterres zu vernehmen. Es klopfte, und Sauveterre trat herein. Er runzelte die Stirn, als er Sarrazine erblickte, wandte jedoch die Augen gleich wieder ab, um sie voller Besorgnis auf Jean de Siorac zu richten.
»Jean«, sprach Siorac, die Fröhlichkeit unterdrückend, welche Sarrazine mit sich gebracht, »dies ist Sarrazine, Eure Geisel, welche Ihr in Dienst gegeben. Sie möchte gern Jonas gemäß unserem Glauben ehelichen, vorausgesetzt, er baut sich ein Haus über der Höhle.«
»Ein Haus!« rief Sauveterre, entrüstet die Hände zum Himmel hebend.
»Herr Junker, Ihr habt doch genug von allem, was dazu vonnöten!« sagte Sarrazine mit Feuer und nicht ohne Kühnheit. »Steine für das Dach und die Mauern, Kalk oder Lehm, sie zu verbinden, Kastanienholz für das Gebälk und für das Bauen einen Steinhauer, der auch zu mauern versteht! Warum soll Jonas, der Euch ein guter Diener ist und sich so wacker für Euch gegen die Zigeuner geschlagen hat, nicht wie jeder andere Christenmensch ein Haus haben?«
»Die Jungfer hat ein flinkes Maulwerk«, sagte Sauveterre, der wenig Gefallen fand an ihrer Rede.
Er setzte sich mit einem Seufzer nieder, sprach aber nicht weiter, weil er nur zu gut wußte, was Siorac von der Sache hielt.
Es folgte ein Schweigen, denn keiner der beiden Brüder wollte dem anderen widersprechen müssen.
»Sarrazine, was hältst du da für einen geflochtenen Korb in der Hand?« fragte mein Vater schließlich.
»Ein Geschenk für Eure Haushaltung, Moussu lou Baron«,erwiderte Sarrazine, wiederum einen Knicks vollführend, doch nicht so tief wie zuvor, um Sauveterre nicht zu inkommodieren. »Ich habe ihn eigenhändig verfertigt«, fuhr sie mit Stolz fort, »aus den Ruten der Weidenbüsche in Eurem Beunes-Grund, wovon eine Menge unterhalb des Steinbruchs stehen.«
»Zeig
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