Fortune de France: Roman (German Edition)
Hölle hinab, und die gute, fette Ackerkrume sich in Staub verwandelte, welchen der frische Nordostwind in schwarzen Wolken davontrug.
Im Juli versiegten die Brunnen zu Dutzenden, das Wasser in den Weihern fiel, die sonst ungestüm dahinfließende Beunes trocknete halb aus. Die an ihrem Lauf ansässigen Müller verwehrten jede Wasserentnahme, so wie ihnen ihrerseits vom Seneschall verboten ward, Wasser abzuleiten oder anzustauen, was die flußabwärts liegenden Mühlen trockengelegt hätte. Unsere Nachbarn aus den Dörfern kamen mit Fässern zur Burg gezogen, um etwas Wasser aus unserem Weiher zum Tränken des Viehs zu erbetteln, was ihnen zunächst auch gewährt ward, dann aber auf unsere Zinsbauern beschränkt werden mußte, weil der Überlauf aus unserem Brunnen nur noch tropfenweise rann. Der Brunnen selbst versiegte zum Glück nicht, doch das Wasser im Stauweiher sank um fünf Fuß, was uns in großen Schrecken versetzte, denn nach den Worten der Herren Brüder war es selbst 1557 nicht so weit zurückgegangen.
Es kam die Zeit der Heumahd, doch nirgends stand das Gras so hoch, daß die Sense es hätte schneiden können, abgesehen von den Senken, wo sich einige Feuchtigkeit gehalten. Und dort mußte man ein Auge darauf haben, denn es kam so mancher des Nachts geschlichen, die wenigen Halme für seine Ziege oder seine magere Kuh abzusicheln. Unsere Soldaten legten sich auf die Lauer und ergriffen einen der Unglücklichen, der sich schon am Galgen von Mespech baumeln sah, aber nicht sein eigenes Schicksal bejammerte, das ihm gerecht deuchte, sondern das seines Weibes und seiner Kinder. Nun stammte der arme Sünder aus Sireil, und den Brüdern widerstrebte es, einen Mann aus unseren Dörfern hängen zu lassen. Zudem war er Papist, und so hätte man glauben, sagen oder zu verstehen geben können, Mespech habe aus Glaubenseifer gehandelt. Also entschieden sich die Brüder, Milde walten zu lassen, und nachdem er zwei Tage im Turm gesessen, ward ihm auf das Versprechen hin, zwei Jahre lang jeweils vierzig Tage gegen Kost, aber ohne Entgelt auf unseren Gütern zu arbeiten, die Freiheit wiedergegeben. Der Mann leistete seine Strafe gewissenhaft ab, und ich sehe ihn noch heute vor mir, wie er bei Tische die Hälfte dessen, was ihm die Maligou auftat, heimlich in einen Beutel steckte, es seinem Weib und seinen sechs Kindern mitzunehmen. Er hieß mit Namen Pierre Petremol und war der jüngere Bruder jenes Kranken, der von seinem Leiden – und gleichzeitig vom Leben – erlöst ward, indem er zur Winterszeit in das eisige Wasser des heiligen Avit eintauchte.
Allein die Milde Mespechs vermochte ebensowenig auszurichten, wie es Strenge getan haben würde, so schwer und bitter war die Not der Menschen. Es ward weiterhin Gras gestohlen. Also mußten wir das Heu aus den Senken möglichst schnell einbringen wie auch die Ernte, sobald das Korn gereift, denn schon hatten vorüberziehende Bettler von einem kleinen Weizenfeld im Beunes-Grund die Ähren samt den Halmen verschlungen.
Escorgol hatte damals viel zu tun: vor dem Torhaus riß die Reihe der Hirten und Landleute nicht ab, welche die Burgherren unter Tränen und Händeringen anflehten, ihnen Korn zu ihrer eigenen Nahrung und Heu für ihr Vieh zu leihen. Für solche Darlehen mußten sie ihre Felder und Ernten verpfänden, und da sie meist schon in unserer Schuld standen – so mancher zahltebereits eine jährliche Rente in Korn nach der Ernte –, waren einige gezwungen, uns für ihr täglich Brot ihr Land zu verkaufen. Andere, denen das Futter ausgegangen war, verkauften uns ihr Vieh – recht vorteilhaft für uns, denn da sehr viele verkaufen wollten, war der Preis für eine Kuh um die Hälfte gesunken.
Dergestalt vergrößerte jede Hungersnot die Ländereien Mespechs und vermehrte seine Herden. Mein Vater ward darob hart von seinem Gewissen geplagt. So hörte ich ihn wieder und wieder sagen, er empfände weniger Gewissensbisse, wenn wir unser Korn in Sarlat zu dem unglaublichen Preise verkauften, den es dort erreicht hatte: drei Livres für die Metze Weizen und fünfzig Sols für die Metze Roggen.
Allein Sauveterre wollte lieber die Ländereien vergrößern, statt Kisten und Kasten mit Dukaten zu füllen, und ließ hierüber nicht mit sich reden.
»Was aber«, fragte Siorac, von seinen Bedenken gequält, »soll mit den Leuten geschehen, die keinen Boden mehr zu verpfänden oder zu verkaufen haben? Sollen wir sie Hungers sterben lassen?«
»Keineswegs. Wir werden ihnen
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