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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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und entschlossener Miene die Freitreppe herabkommen und hörte, wie er den Brüdern Siorac in knappen Worten gebot, ein junges Rind, das wir kürzlich gekauft, zu schlachten, abzuziehen und zu zerteilen und die Stücke auf einen Wagen zu laden.
    Am Nachmittag des gleichen Tages, als François, Samson und ich unsere Fechtübungen mit Cabusse abhielten, welcher zu diesem Behufe jeden Tag von Le Breuil zu uns heraufkam, trat mein Vater mit sorgenvoller Miene in den Fechtsaal.
    »Gott zum Gruße, Cabusse«, sprach er, nicht ohne Mühe in seinen leutseligen Ton verfallend. »Gott zum Gruße, ihr Knaben.«
    »Gott zum Gruße, Moussu lou Baron«, sagte Cabusse und salutierte mit dem Degen. Er hatte mit Feinsinn einen Ton zwischen Vertraulichkeit und Respekt gewählt, als wäre er selbst ein halber Edelmann.
    »Und wie geht es Cathau?«
    »Sie wird zusehends runder«, antwortete Cabusse, mit der Linken über seinen riesigen Schnurrbart streichend, die Rechte auf den Degen gestützt. Mit einem breiten, männlichen Lächeln fuhr er fort: »Bald ist es soweit. Sie soll Ende Juli niederkommen.«
    »Ende Juli! Bei dieser Hitze wird es wohl ein Fröstling werden!«
    »Das scheint mir auch«, gab Cabusse zur Antwort.
    »Und dein Nachbar Jonas?« fragte mein Vater weiter.
    »Oh, Jonas, Jonas! Seit er die Sarrazine und sein Haus hat, schwebt er im siebten Himmel. Herz an Herz mit ihr ist er zufrieden und glücklich.«
    »Ich lasse ihn grüßen, auch sein Weib und das deinige. Wie führen meine Knaben die Klinge?«
    »Leidlich gut«, erwiderte Cabusse, welcher mit Lob geizte, nicht aber mit Worten, denn auf seine Beredsamkeit bildete er sich nicht wenig ein.
    Und er fuhr fort:
    »Ein jeder hat seine Schwächen, aber auch seine Stärken. Der Geschickteste von allen dreien ist Moussu Samson. Er hat ein Handgelenk wie von Eisen. Doch mit Verlaub zu sagen«, setzte er mit jener Offenheit hinzu, welche meinem Vater gar wohl gefiel, »sein Hirn ist manchmal nicht ganz so flink. Moussu François hat ein scharfes, waches Auge, versteht es trefflich, den gegnerischen Stößen auszuweichen und sich zu verteidigen, doch wegen seiner übergroßen Vorsicht wagt er zu wenig Angriffsstöße. Moussu Pierre hingegen ist voller Ungestüm und nur auf Angriff aus, er wütet wie ein kleiner Stier. Doch dabei deckt er sich schlecht und eröffnet Blößen. Ich hätte ihn schon hundertmal getötet.«
    »Jeder kann also von den Stärken der anderen lernen«, sprach mein Vater darauf. »Meine Söhne«, so fuhr er mit ernstem Angesicht fort, »in Sarlat wütet die Pest. Ich werde mich morgen dorthin begeben, Herrn de la Porte ein halbes Rind zu bringen. Wegen der Gefahr der Ansteckung will ich keine Bedienten zum Geleit mitnehmen, sondern nur Angehörige meiner Familie. Die Brüder Siorac und einen von Euch, so sich einer findet.«
    »Ich«, rief ich, noch keuchend und schwitzend von der Fechtübung. »Da ich einmal Arzt werden will, wird es Zeit, daß ich mich an die Krankheit gewöhne.«
    »Ich«, rief auch Samson, sobald ich geendet.
    »Ich«, sprach François nach kurzem Zögern.
    »Nein, Ihr nicht, François«, wandte Siorac ein. »Meinen Ältesten will ich dieser Gefahr nicht aussetzen. Ich werde Pierre und Samson mitnehmen, da sie beide keine Furcht zeigen. Gehab dich wohl, Cabusse! Gehabt Euch wohl, meine Söhne. Ichbin stolz auf Euch. Der Mut beweist sich nicht nur mit dem Degen in der Hand.«
    Hierauf wandte er sich auf seine lebhafte Art um und verließ uns mit leuchtenden Augen und bewegtem Angesicht.
    Am Abend verfügten wir uns nach dem Essen auf Geheiß unseres Vaters in die obere Kammer des Nordostturms – die nämliche, worinnen wir beide eingesperrt saßen, nachdem ich an meinem sechsten Geburtstag die Hand gegen François erhoben. Doch sie hatte sich seit dem Vortage gänzlich verändert. Die Wände waren weiß gekalkt, der Fußboden mit Essigwasser gewischt, und im Kamin loderte trotz der Sommerhitze ein mächtiges Feuer, in dessen Flammen wohlriechende Substanzen und Kräuter verbrannten: Benzoeharz, Lavendel und Rosmarin. Auch sah ich zwei Betten, getrennt von der ganzen Breite der Kammer, was bedeutete, daß Samson und ich diesmal nicht zusammen schlafen würden. Neben einem jeden Bett lagen auf einem Schemel unsere Kleider für den nächsten Tag, duftend nach den gleichen Gerüchen, die aus dem Kamin aufstiegen, und daneben lehnte an der Wand der Kurzdegen, welchen wir nur außerhalb der Burgmauern tragen durften. Mein Herz tat einen

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