Fortune de France: Roman (German Edition)
der nicht von vornherein auf ihren Vorteil hinauslief.
Die Beratschlagung der Brüder dauerte einen ganzen langen Tag, und es ist bedauerlich, daß sie keine Erwähnung im »Buch der Rechenschaft« fand. Zumindest kenne ich aber das Ergebnis.
Am nächsten Abend unterbreiteten die Brüder dem Coulondre ihre Vorschläge. Würde er zusätzlich zu seinen dreißig Schweinen noch einmal ebenso viele für Mespech halten?
»Nein«, erwiderte Coulondre, »sechzig sind zuviel. In großen Beständen breiten sich schnell Krankheiten aus. Zudem ist nicht genügend Platz auf Gorenne für so viele Tiere.«
»Wenn wir dir das Beunes-Land auf Halbpacht überlassen, so mußt du es bearbeiten. Wir werden dann von deiner Hälfte der Ernte einen Teil abziehen und dir dafür Pflug und Egge und ein Pferd leihen.«
»Ich danke den Herren für das Angebot, doch ich gedenke mir vom Rest meiner Beute ein Pferd und Ackergerät anzuschaffen.«
»Wenn es zu einer Einigung kommt, wirst du dann wie alle unsere Zinsbauern Tagewerke für Mespech verrichten?«
»Ja«, antwortete Coulondre, »an fünfzig Tagen im Jahr.«
»Wie kommst du auf die Zahl fünfzig?«
»Als ich zum hugenottischen Glauben übertrat«, erwiderte Coulondre, »habe ich auf fünfzig Feiertage im Jahr verzichtet:die Feiertage der Heiligen. Wenn ich jetzt noch an fünfzig Tagen Dienst für Euch tue, ergibt das hundert. Mit Verlaub, dies scheint mir auszureichen. Ich brauche auch noch Zeit für Gorenne.«
Sauveterres Stirn verdunkelte sich.
»Bereust du etwa deinen Übertritt zur hugenottischen Religion?«
»Keineswegs«, antwortete Coulondre achtungsvoll, mit düsterer Miene in die Flammen des Kamins starrend.
Als er zur Tür hinausgegangen war, verlangte Sauveterre mit tonloser Stimme, daß man ihn unverweilt davonjagen solle ob seiner unglaublichen Frechheit.
»Und noch schlimmer ist«, fügte Sauveterre hinzu, indes seine kleinen schwarzen Augen zornig funkelten, »daß er nur ein höchst lauer Hugenott ist.«
»Wie die meisten unserer Leute«, merkte mein Vater lächelnd an. »Doch zumindest ist er in seinem Herzen nicht Papist geblieben wie andere, deren Namen ich nennen könnte.«
Er tat einige Schritte, den Oberkörper aufgerichtet, die Hände in den Hüften, und fuhr fort:
»Es ist so frech nicht, wenn er seinen Vorteil zu verteidigen sucht, wie wir es auch tun.«
»Er verteidigt ihn nur zu gut!«
»So wie er Gorenne verteidigen wird! Und unser Korn zusammen mit seinen Schweinen! So wie er Jacotte verteidigt hat hinter jener Böschung! Mit Klauen und Zähnen! Mit List! Mit Bedacht! Mit der Frechheit, die Ihr ihm vorhaltet! Habt Ihr seine kluge Bemerkung bezüglich der Glocke gehört? Dieser Mann ist weder ein unüberlegter Leichtfuß noch ein Weichling!«
»Ich halte trotzdem dafür, daß wir ihn davonjagen sollten!« sprach Sauveterre, gereizt mit seiner Rechten eine abgehackte Bewegung vollführend.
»Und ich halte dafür, daß wir ihm Gorenne anvertrauen!« sprach mein Vater lachend.
»Was! zu diesen Bedingungen?«
»Bruderherz! Bruderherz!« sprach Jean de Siorac, hinter Sauveterre tretend und ihm beide Hände auf die Schultern legend. »Zuweilen muß man ein wenig verlieren, um viel zu gewinnen!«
Am folgenden Tag gab Sauveterre nach. Und so ward Coulondrevom Soldaten zum Zinsbauern, während die seinerzeit herrschende Hungersnot nicht wenige kleine Landbesitzer zwang, ihr Land den Getreideverleihern zu verkaufen und es dann für ein geringes Entgelt zu bestellen.
Anno 1563 war ein unheilvolles Jahr für das Sarladische Land. Ebenso wie sechs Jahre zuvor, anno 1557 – Faujanet sprach noch immer von dieser Zeit, da Gott in seinem allerhöchsten Zorn den Regen in seinen Wolken zurückgehalten hatte –, erreichte die Trockenheit in jenem zwölften Jahr meines Lebens fürchterliche Ausmaße.
Bereits der Winter war eher kalt denn feucht gewesen, doch als der März kam, wurde das Wetter fast so heiß wie im Sommer, und abgesehen von zwei oder drei kärglichen Regenschauern, welche den Boden kaum netzten, fiel kein Tropfen mehr vom Himmel. Das Gras fand nicht die Kraft, seine grünen Frühlingsschossen zu treiben. Es blieb kurz, als wäre es schon abgeweidet wie im Herbst, und begann schon im Mai gelb zu werden unter der brennenden Sonne. Das Getreide ging zwar auf, stand aber schlecht und dünn im Halm, die mageren Ähren so leicht, daß sie sich kaum neigten, indes die Erde darunter Spalten und Risse bekam, als wolle sie sich auftun bis zur
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