Fortune de France: Roman (German Edition)
brandige Glied von meiner Familie und jage Euch ungesäumt aus dem Hause.«
Ich fühlte mich erbleichen, der Schweiß rann mir über den Rücken, und meine Beine begannen zu zittern, als täte sich ein Abgrund vor mir auf. Die Stimme versagte mir jeglichen Dienst.
»Nun, was ist?«
»Mein Herr Vater«, hub ich schließlich an, jedes Wort mühsam aus meiner Kehle pressend, doch mit kaum unterdrücktemZorn, »es tut mir sehr leid, Euer Mißfallen zu erregen. Doch es wäre ehrlos, zu tun, was Ihr verlangt. Und so will ich lieber verstoßen werden, selbst wenn es Unrecht wäre.«
»Nun denn, so soll es geschehen, Monsieur!« sprach mein Vater mit tonloser Stimme.
Und er fügte schreiend hinzu:
»Mit dem Schwur, den
auch ich
halten werde, Euch niemals wiederzusehen.«
Es trat eine lange Stille ein. Die Welt verschwand vor meinen Augen und mir schien, als lebte ich nicht mehr. Wie versteinert stand ich vor meinem Vater, unfähig zu sprechen, aber noch immer kochend vor unbändigem Zorn.
Da trat Samson zum zweiten Mal auf den Plan. Obgleich ich ihn nur wie durch einen Nebelschleier sah, gewahrte ich staunend, daß ihm die Tränen über die Wangen liefen. Mein Vater und ich waren tränenlos in unserem großen Zorn, wie immer die Gefühle sein mochten, die uns im Inneren bewegten. Samson aber weinte. Und ohne wirklich Partei zu ergreifen, eilte er mir zu Hilfe. Er trat an meine Seite, legte seinen Arm um meine Schulter, wendete mir sein Angesicht zu, das mir wie ein helles Licht in der Finsternis erschien, und sprach in seiner lispelnden Art:
»Mein Pierre, ich werde dich nicht verlassen. Wenn du gehst, dann komme ich mit dir.«
Wäre der Blitzstrahl vom Berge Sinai niedergefahren, so hätte die Wirkung nicht größer sein können. Mein Vater blickte Samson an, als wolle er den rasenden Zorn, der ihm das Herz abdrückte, gegen ihn richten, doch Samson weinte nicht über sich selbst, sondern über mich, über meinen Vater, denn er fühlte die große Verheerung, die dieser harte Streit in uns anrichtete. Und mein Vater, den meine Widersetzlichkeit so sehr gereizt, daß er mich haßte, vermochte nicht, sein Herz gegen Samson zu verhärten, ihn auch nur mit Zorn anzublicken oder ein Wort gegen ihn zu sagen. Seine Ohnmacht fühlend und halb von Sinnen vor Schmerz – wie ich selbst auch –, kehrte er uns wortlos den Rücken und ging mit großen Schritten davon, blind vor Zorn, so daß er sich am Rahmen der Tür stieß, die er hinter sich offenließ.
Ich sank sogleich in Samsons Arme, und indes alle Anspannung von mir wich, weinte und schluchzte ich bitterlich an meinesBruders Wange, wiewohl es mich schandbarlich deuchte, mit fast dreizehn Jahren noch wie ein Wickelkind zu greinen.
Nach einer Zeit löste sich Samson von mir und bedeutete mir sanft, doch bestimmt, daß ich jetzt meine Kleider anlegen müsse. Bevor ich Mespech verlasse, sei es meine Pflicht, so sprach er, von meinem Vater Verzeihung zu erbitten, daß ich aus Treue zu meinem Schwur so widersetzlich gegen ihn gewesen. Dieser Ratschlag schien mir gar trefflich zu sein, verspürte ich doch ebenfalls Reue darüber, mich vor meinem Vater und gegen ihn so unfügsam gezeigt zu haben, obgleich ich überzeugt blieb, im Kern der Sache recht zu haben.
So legte ich meine Kleider an, gürtete auch meinen Kurzdegen – zum Zeichen, daß ich in der Tat die Burg verlassen wollte – und verfügte mich festen Schrittes, wiewohl das Herz mir zu zerspringen drohte, zur Bibliothek. Doch wie ich mich der Tür näherte, vernahm ich unversehens Bruchstücke eines heftigen Wortgefechtes, bei dem auch mein Name fiel, und hielt inne. Indes ich noch schwankte, ob ich anklopfen sollte – einerseits widerstrebte es mir, in diesen neuerlichen Streit hineinzugeraten, doch andererseits fürchtete ich, mir könnte der Mut zum späteren Wiederkommen fehlen, wenn ich jetzt wegginge –, lauschte ich staunend und mit angehaltenem Atem den Worten, welche mit wildem Grimm und gar großer Heftigkeit zwischen meinem Vater und Sauveterre gewechselt wurden.
»Es gibt schlimmere Sünden, als eine Marienmedaille um den Hals zu tragen!« schrie Sauveterre in einem anklagenden Ton, den ich bei ihm nicht kannte.
»Was wollet Ihr damit sagen?« fragte mein Vater grimmig.
»Genau das, was meine Worte besagen!« entgegnete Sauveterre in gleichem Ton. »Ihr verstehet sie sehr wohl! Nämlich daß Ihr eine Torheit nach der anderen begeht, mein Bruder, ich sage es Euch unverblümt. Und angefangen hat es
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