Fortune de France: Roman (German Edition)
tragen.«
»Und das habt Ihr versprochen!«
»Sie lag im Sterben. Was hätte ich anderes tun sollen?«
»Es mir sagen!« schrie mein Vater. »Ihr hättet es mir ungesäumt sagen müssen! Und ich als Euer Vater hätte Euch dann von diesem ungeheuerlichen Versprechen entbunden. Aber Ihr habt es vorgezogen, Euch wie ein Dieb vor mir zu verbergen und klammheimlich unter Verrat Eures Glaubens dieses Götzenbild zu tragen!«
»Ich bin kein Verräter und auch kein Dieb!« sagte ich, indes mich ebenfalls der Zorn packte und ich meinen Vater herausfordernd anblickte.
»O doch! Meine Liebe habt Ihr gestohlen, die Ihr jetzt nichtmehr verdient, da Ihr mir monatelang Eure stinkende Götzendienerei verheimlicht habt!«
»Aber ich bin kein Götzendiener!« schrie ich mit blitzenden Augen, ihm trotzig die Stirn bietend, so empört war ich über diese große Ungerechtigkeit. »Ich bete nicht zu Maria! Ich bete zu Jesus Christus und zu Gott, ohne Maria und die Heiligen anzurufen! Für mich ist diese Medaille kein Götzenbild! Sie ist mir nur heilig, weil sie von meiner Mutter herstammt.«
»Kein irdischer Gegenstand ist heilig!« sagte mein Vater mit heftiger Stimme und einer ungestümen Bewegung seiner Hand. »Und wer gegenteiligen Glaubens ist, der macht sich der Götzenverehrung schuldig! Nein, Monsieur, wie immer Ihr es zu bemänteln sucht, Ihr könnt nicht behaupten, daß Ihr die Medaille in aller Unschuld tragt! Zumindest wisset Ihr, daß Eure Mutter sie Euch nicht ohne versteckte Absicht gab! Bei Eurer Geburt hat sie Euch auf den Namen Pierre taufen lassen, und der Grund dafür ist Euch bekannt! Und warum sie Euch das da gegeben, wisset Ihr auch!«
»Es ist mir wohlbekannt«, sagte ich, noch immer aufsässig und voller Leidenschaft, »doch bin ich deshalb nicht voller Verderbnis. Der Name Pierre macht noch keinen Papisten aus mir, und diese Medaille macht mich nicht wanken in meinem Glauben.«
»Das glaubt Ihr«, sprach mein Vater, »aber der Teufel kennt vielerlei List, das Gift in Euer Herz zu träufeln, und nähert sich Euch unter vielerlei Masken, auch unter der Maske der Mutterliebe.«
»Mein Herr Vater«, hielt ich ihm entgegen, »ich kann nicht glauben, daß der Teufel etwas zu tun hat mit der Liebe einer Mutter zu ihrem Sohn und mit der Liebe des Sohnes zu seiner Mutter.«
»Es muß aber so sein!« sagte mein Vater mit blinder Wut, die mir das Blut gefrieren machte. »Warum sonst hätte er Euch geraten, vor mir zu verbergen, was Ihr da tragt? Als ich Euch weckte zum Ritt nach Sarlat, waret Ihr nackt wie alljetzt, doch truget Ihr nicht dieses Götzenbild. Wo war es da?«
»Unter dem Bettpolster. Des Nachts lege ich die Medaille ab, weil sie zu schwer ist.«
»Sie ist in der Tat gar schwer von Heuchelei, List und Verstellung! Nehmt sie von Euerm Hals und gebt sie mir!«
Da trat Samson einen Schritt vor, hob bittend die Hände, die blauen Augen auf das zornumwölkte Angesicht meines Vaters gerichtet, und sprach mit sanfter Stimme:
»O nein, mein Herr Vater, ich flehe Euch an: das nicht!«
Sich in einen Streit einzumischen, der ihn nicht betraf, entsprach so wenig dem zurückhaltenden und bescheidenen Wesen Samsons, daß mein Vater ihn lange ansah vor Erstaunen und sich wohl fragte, was dieses »o nein« zu bedeuten habe. Dann verfinsterte sich sein Gesicht, und ich wähnte schon, daß sich sein Zorn jetzt gegen Samson richten würde; doch mit wütendem Blick wandte er sich wieder zu mir und sprach mit barscher Stimme:
»Ich habe Euch etwas befohlen!«
Ich fühlte, daß dieser Augenblick entscheidend für mein weiteres Leben sein würde, weil sich erweisen mußte, ob ich Charakter hatte oder nicht. Ich straffte mich und sagte mit fester, beherrschter Stimme:
»Mein Herr Vater, ich kann Euch die Medaille nicht geben. Ich habe meiner Mutter einen Eid geschworen, und den kann ich nicht brechen.«
»Ich entbinde Euch davon!« schrie mein Vater, außer sich.
»Aber das steht nicht in Eurer Macht! Nur meine Mutter, wenn sie noch lebte, könnte es tun.«
»Was? Ihr wollt mir trotzen?« sprach mein Vater. »Ihr wagt es, Euch mir zu widersetzen?«
Er blickte mich an, als wolle er sich auf mich stürzen, doch dann besann er sich, biß sich auf die Lippen und schritt, hochrot im Gesicht, etliche Male in der Kammer auf und ab.
»Monsieur«, sprach er alsdann und blieb vor mir stehen, die Hände in den Hüften, das Kinn erhoben, »Ihr gebt mir jetzt diese Medaille, wie ich es Euch befohlen, oder ich trenne das
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