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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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es mir den Mut nahm.
    »Mein Neffe«, fuhr er fort, als wäre es das Natürlichste von der Welt, daß die Angelegenheit einen solchen Ausgang nähme, »zur Strafe für Eure trotzhafte Widersetzlichkeit gegen Euren Vater werdet Ihr zwanzig lateinische Verse verfassen, worinnen Ihr den Baron von Mespech aufrichtig um Verzeihung bittet, daß Ihr wider Euern Willen gezwungen wart, derPflicht gegenüber einer Toten den Vorrang zu geben vor den Pflichten gegen Euern Vater.«
    »Das werde ich gern tun, mein Herr Oheim«, sprach ich mit unendlicher Erleichterung, »und dabei Eure eigenen Worte verwenden, welche die Wirklichkeit so trefflich abbilden.«
    Unter solcher Rede verbeugte ich mich, und wiewohl seine Miene sich kaum veränderte, drückte sie Zufriedenheit sowohl über meine Worte als auch über meine Reverenz aus.
    »Muß auch ich«, fragte Samson mit erschrecktem Gesicht und kläglicher Stimme, »zwanzig lateinische Verse abfassen?«
    Sauveterre lächelte.
    »Was Euch anbelangt, Samson, so wird sich Baron von Mespech mit einigen einfachen Zeilen der Entschuldigung begnügen.« Und mit erhobenem Zeigefinger setzte er hinzu: »Vor ausgesetzt , sie sind in Französisch – und zwar in gutem Französisch – abgefaßt.«
    »Ich werde sie aufsetzen«, erwiderte Samson seufzend.
    »Ihr habt hinlänglich Zeit dafür, meine Herren Neffen«, sprach Sauveterre, und in seinen Augen blitzte ein Schein von Ironie und zugleich Zuneigung auf. »Um Euch das Werk zu erleichtern, werdet Ihr bis übermorgen mittag hier eingeschlossen, und damit Euch das Nachdenken nicht beschwert wird, soll Euch nur Wasser und Brot aufgetragen werden.«
    Hierauf nickte er uns zu, indes wir uns tief verbeugten. Und hinkend, doch die breiten Schultern gestrafft, ging er aufrecht und mit zufriedener Miene zur Tür hinaus, welche er hinter sich zusperrte.
     
    So ward unsere Quarantänezeit um achtundvierzig Stunden verlängert, und als wir endlich unsere Turmkammer verlassen konnten, nachdem unsere lateinischen wie französischen Entschuldigungen gnädig angenommen waren und unser Vater uns den Friedenskuß gegeben, wurden wir einer bedeutenden Änderung im Hauswesen von Mespech gewahr: Catherine hatte seit zwei Tagen das Gemach meiner Mutter bezogen, und ihre Kammerjungfer Franchou schlief daneben in einem Kabinett, welches auch der Schlafkammer meines Vaters benachbart war. Wenn, wie mein Vater behauptet hatte – was ich mit eigenen Ohren gehört –, nichts gewesen war zwischen »ihm und dieser armen Jungfer«, rückte er dadurch gleichwohl die Versuchungrecht nah an sich heran, um so mehr, da Franchou schier zerschmolz vor unendlicher Dankbarkeit für den, der sie so tapfer den Klauen des Todes entrissen. Sobald der Baron von Mespech den Burgsaal betrat, hatte sie, von seiner Gegenwart angezogen wie die Eisenspäne vom Magneten, nur noch Augen für ihn und postierte sich geflissentlich hinter ihm, seinen Becher, kaum daß er zur Neige ging, eiligst zu füllen, was Barberine höchstlich mißfiel, hatte sie doch bisher dieses Amt verrichtet.
    Bei Madame de la Valade zu Sarlat muß Franchou vor Ausbruch der Pest – nach dem bewegenden Empfang zu urteilen, den sie meinem Vater bereitete – mit klopfendem Herzen auf seine kurzen Besuche gewartet haben. »Oh, Moussu lou Baron! Moussu lou Baron! Welch Vergnügen, Euch zu sehen!« – »Gott zum Gruß, meine Liebe! Wie ist das Befinden?« – »Soll ich Madame Bescheid geben?« – »Damit hat es keine Eile, Franchou. Ich habe hier ein kleines Geschenk für dich – einen silbernen Fingerhut, damit du dich beim Nähen nicht stechen mögest.« – »Heiliger Jesus! Ein Fingerhut! Und noch dazu von Silber! Wie gütig ist Moussu lou Baron!« Gewiß war er gütig und dazu auch vertraulich, denn zum Dank für ihre Dankesworte küßte er mit vollen Lippen ihre frischen Wangen, dabei ihre hübschen runden Arme tätschelnd, indes sie vor Verlangen errötete.
    Ich gab meinem Oheim Sauveterre nicht unrecht. Es wäre besser gewesen, Franchou auf Volperie in Dienst zu geben und nicht in so bequemer Nähe zu behalten, vom Feind nur durch eine dünne Tür getrennt, welche nicht einmal einen Riegel besaß. Denn dies war offensichtlich eine Festung, welche nicht, wie Calais, heftig berannt werden mußte, sondern sich beim ersten Sturm von selbst ergab: ihre Bewohner liefen den Soldaten entgegen, sich ihrem Willen zu fügen.
    In Erwartung dieses Ausganges wetzte man in der Küche und der Spülkammer schon eifrigst die

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