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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Bürgerkrieg nicht dem Prinzen von Condé angeschlossen hatte), seinesgleichen vorschlagen, sich gegen die Königsmacht »zu bewaffnen und stark zu machen«. Als ich später in meinem Bett darüber nachsann – Samson schlief bereits an meiner Seite –, schloß ich daraus nicht ohne einiges Bangen, daß die Gefahr, die über den Unseren schwebte, sehr groß und drängend sein mußte, wenn mein Vater nun so ganz anders redete.
     
    Am fünfzehnten Tag des Monats März anno 1566, wenige Tage vor meinem fünfzehnten Geburtstag, wurden die Schmerzender kleinen Hélix unsäglich, wie mein Vater vorausgesagt, und er begann, ihr kleine Mengen Opium zu verabreichen. Und da sie immer häufiger stöhnte und wehklagte, brachte man sie in eine kleine Kammer zu ebener Erde. Dort wurde auch für Barberine ein Bett aufgestellt, welches ich allerdings für mich beanspruchen durfte, denn ich führte den künftigen Stand ins Feld, den ich für mich gewählt, und machte auch geltend, daß Barberines nächtliche Anwesenheit an der Seite der Kranken überhaupt nicht von Nutzen sein würde, weil sie so fest schlief, daß nicht einmal ein Kanonenschuß sie zu wecken vermochte.
    Meine arme Hélix war über die Maßen abgemagert, sie befand sich im letzten Stadium des Kräfteverfalls und wog fast gar nichts mehr. Ich merkte das jedesmal, wenn ich sie auf meinen Armen in den Burgsaal trug, so ihr das Leiden eine Atempause gönnte. Alles schien gleichzeitig dahinzuschwinden: die weiblichen Formen, die Muskeln, die Nerven und die darin kreisende Lebenskraft. Je mehr sie davon einbüßte, desto schwächer wurde sie und löste sich in gleichem Maße vom Leben, so daß sie mich immer seltener bat, sie zu unseren Leuten zu tragen. Ich war nur froh darüber, denn wenn ich feststellen mußte, wieviel leichter sie von Mal zu Mal in meinen Armen wurde, war ich zutiefst erschrocken und vermochte meinen Kummer nicht zu verhehlen, auch nicht vor ihr. Und schlimmer noch: wenn sie im Burgsaal in einem Armsessel saß, bis an den Hals zugedeckt (denn die Magerkeit und das schleichende Fieber hatten sie sehr kälteempfindlich gemacht), fiel mir noch deutlicher auf – angesichts der roten Wangen unserer Leute, ihrer lauten Stimmen und kraftvollen Gebärden –, wie abgezehrt und bleich ihr Gesichtchen, wie schwach ihre Stimme, wie kraftlos ihre skeletthaften Arme waren.
    Ich war so oft und so lange bei ihr, wie ich nur konnte. Bis an den sicheren Tag, da der Tod auch mich holen wird, werde ich niemals die wunderbare Liebe vergessen, die unversehens in ihren matten Augen aufleuchtete, wenn ich durch ihre Tür trat. Es war nur ein Aufblitzen, denn sie war zu schwach, das Strahlen andauern zu lassen.
    Sie fühlte sich behaglich in ihrem Kämmerlein, besonders anfangs, als sie noch davon sprach, wieder gesund zu werden, und sich um ihren Körper besorgte.
    »Mein Pierre, wenn ich wieder auf den Beinen bin, wirst dumich nicht mehr mögen. Ich bin zu häßlich: ein Hals wie ein Hühnchen, die Schultern abgemagert und eine Brust so flach wie mein Handteller.«
    »Du wirst wieder zunehmen, Hélix. Wenn erst die Schmerzen aufhören, wächst alles dir unter der Haut schöner nach, wie bei Franchou, die du um ihre Formen beneidest.«
    »Aber wann nur, wann, wann?« sprach sie mit so kläglicher Stimme, daß es mir das Herz zusammenschnürte. »Ich bin des unerträglich langen Wartens müde. Seit fast zwei Jahren war ich nicht mehr im Hof von Mespech. Ich denke mir auch, daß es zu spät sein wird, wenn ich jemals wieder gesunde: du bist dann schon in Montpellier und wirst ein Gelehrter werden.«
    Mir schien, ihr wollten die Tränen kommen, doch hatte sie dazu schon nicht mehr die Kraft. Ihre so kleine, so magere Hand zuckte unmerklich in der meinen, und unter der Wirkung des Opiums, das mein Vater ihr verabreicht hatte, glitt sie in den Schlaf.
    Eines Morgens im April fragte sie mich: »Sind das die Vögel, die ich höre?«
    »Gewiß doch! Und es sind ihrer viele!«
    »Ach, mein Pierre! Die Bäume am Teich treiben ihre Blätter. Zart steht das frische Gras, und das Korn ist schon aufgegangen. Und ich, ich werde nächstes Jahr in der kalten, dunklen Erde liegen.«
    »Dumme Schwätzerin!« sagte ich, »nächstes Jahr bist du auf Mespech und liegst in meinen Armen, wie den heutigen Tag.«
    Ihre Augen sagten nein, doch ihr fehlte die Kraft, mir zu widersprechen. Sie schlummerte ein, und ihr armer Kopf an meiner Schulter war nicht schwerer als ein toter Vogel. Ich verfiel in

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