Fortune de France: Roman (German Edition)
sind.«
»Das ist ja gar nicht wahr!« sprach ich. »Aber du drückst mir die Luft ab, geh runter von mir, sonst rufe ich Barberine!«
»Meine Mutter liegt in tiefem Schlaf!« erwiderte sie und lachte ungeniert. »Haha, kleine Maus, jetzt hat die Katze dich gefangen, sei nun schön ruhig, oder du bekommst meine Krallen zu spüren!«
»Wenn du eine Katze bist«, sprach ich tapfer, »nehme ich morgen den Degen meines Vaters und hau dich in der Mitte durch, vom Kopf bis zu den Füßen.«
»Pfui über dich!« erwiderte die kleine Hélix. »Und laß die Aufschneiderei, du Mäuschen! Hör mir gut zu: entweder fresse ich dich stückchenweise auf, oder du bleibst die ganze Nacht in meinem Bett!«
Ich sagte weder ja noch nein, doch verwundert über ihre Stärke und ihre weichen Rundungen, wehrte ich mich nicht länger und schlief in ihren Armen ein. Am frühen Morgen weckte sie mich mit einem schmerzhaften Kniff, tat ganz erbost, mich in ihrem Bett zu finden, und schickte mich barsch in das meine.
Nachdem Cabusse mit meinem Vater in den Krieg gezogen, hatten wir keinen Koch mehr, denn Cabusse hatte, neben anderen Kunstfertigkeiten, dieses Amt ausgeführt, was ihm Gelegenheit zu manch gutem Schluck und zu vielerlei Vertraulichkeiten mit Cathau und Barberine gegeben. Doch aus Angst, davongejagt zu werden, hatte ihn die eine wie die andere stets abgewehrt; Cathau freilich wäre ihm gern zu Willen gewesen, wenn nur das gestrenge Auge des Herrn nicht gewacht hätte: fand sie doch großen Gefallen an Cabusses stattlichem Schnurrbart, an seinem hohen Wuchs, seiner schmeichlerischen Art und seinem gascognischen Tonfall. Wenn sie jetzt des Morgens hinabging, die heiße Milch für Madame zu holen, würde leider keiner mehr mit warmer Stimme zu ihr sagen: »Gott zum Gruße, mein Feins Liebchen! Geht es dir gut heute? Doch wie sollte es dir nicht gut gehen, frisch und munter wie du aussiehst, mit apfelroten Wangen und kirschroten Lippen! Die ganze Küche strahlt, sobald du hereintrittst. Man sagt zwar: Bleiches Angesicht nach dem Manne verlangt, doch sapperment, mich deucht, das Gegenteil trifft eher zu! Wer hat ein weißes Rübchen je verliebt gesehen?« Selbst der tapfere Soldat Cabusse senkte die Stimme bei solcherart Rede, so sehr fürchtete er, von den Hauptleuten gehört zu werden.
Um Cabusse zu ersetzen, versuchte man es mit Barberine, die schon so viele Kinder auf natürliche Weise genährt; doch ihre Kochkünste erwiesen sich wenig geeignet, Erwachsene zu nähren. So ließ Sauveterre die Maligou rufen, das Weib desselbigen, der Mespech so schlecht gegen die heimtückischen Unternehmungen Fontenacs bewacht hatte.
Die Maligou kam – und blieb. Ebenso füllig wie Barberine, doch ohne Festigkeit im Fleisch, hatte sie kein bißchen Vernunft und Verstand in ihrem struppigen Kopf, war selbstgefällig und geschwätzig und über alle Maßen leicht- und abergläubisch: sie bekreuzigte sich in einem fort, legte die Finger übereinander, etwaiges Unheil zu beschwören, warf Salz über ihre Schulter und vor ihren Kochtopf – den sie im übrigen mit großer Kunstfertigkeit handhabte – oder zog mit dem Finger einen Kreis hinter sich auf dem Estrich, damit der Teufel ihr nicht die Röcke raffe, wenn sie sich über den Herd beugte.
Die Maligou brachte auf Mespech eine Tochter mit, welche Suzon geheißen war, doch bald ward sie die Gavachette gerufen,welchen Namen sie später behielt. Die kleine Teufelin von drei Jahren war dunkelhäutig wie eine Sarazenin, rank und schlank wie eine Gerte, hatte glänzende Mandelaugen und war über alle Maßen schalkhaft und durchtrieben, doch von gutem Herzen. Da ich für meine sechs Jahre schon recht kräftig war, pflegte ich die Gavachette auf den Schultern herumzutragen, was Catherine, die beiden Zöpfe vor dem trotzigen Angesicht, schmollend beobachtete, indes die kleine Hélix ihren Groll verschluckte, denn an die Gavachette wagte sie sich nicht heran: die Maligou hatte ein scharfes Auge und eine lockere Hand.
Wenn es um die Geburt der Gavachette ging – welche ihr mehr bedeutete als ihre anderen Kinder, Ehemann, Vater, Mutter und Großeltern –, tat die Maligou immer sehr geheimnisvoll, bekreuzigte sich, warf Salz ins Feuer (das teure Salz! schimpfte Sauveterre) und fand mit solcherlei Gehabe kein Ende. Doch unfähig, ihre Zunge im Zaume zu halten, lüftete sie das Geheimnis mindestens einmal im Monat mit flüsternder Stimme und unter dem Siegel der Verschwiegenheit, ihren Stolz nur mühsam
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