Fortune de France: Roman (German Edition)
Sauveterre, welcher ihnen die Gemächer wies. Danach verließen die Vettern Siorac und die Soldaten den Saal wie auch mein Bruder François, welcher nicht mehr als Kind galt und schon eine eigene Schlafkammer besaß.
Cathau und Barberine gingen mit den Kindern langsamen Schrittes hinaus. Nachdem die Tür des großen Saales geschlossen, machten sie sich mit geschäftiger Miene in der Küche zu schaffen und hießen uns still sein.
Ihr Warten ward belohnt, denn nach längerem Schweigen sprach mein Vater mit fester Stimme:
»Madame, Ihr hättet Euch enthalten sollen, mir vor meinen Freunden und meinen Kindern eine solche Kränkung anzutun, zumal ich morgen in den Krieg ziehe und Ihr nicht wißt, ob wir uns je wiedersehen.«
Es trat Stille ein, dann sprach meine Mutter mit zitternder Stimme und den Tränen nahe:
»Mein lieber Ehegemahl, ich vermeinte nicht, Unrecht zu tun, indem ich ein Gebet der katholischen Religion sprach, gemäß welchselbiger unsere Ehe geschlossen ward.«
Jetzt war ein Schluchzen zu hören, und mein Vater sagte:
»Mein Weib, um Tränen zu vergießen, ist es schon recht spät.«
Doch seine Stimme hatte bereits einen versöhnlichen Klang,und wie Barberine vermeinte, als sie am folgenden Morgen das Geschehnis ausführlich mit Cathau besprach, hätte alles noch gut ausgehen können, wenn meine Mutter nur weiter geschluchzt und geschwiegen hätte.
Allein meine Mutter hub wieder an: »Ich habe wirklich nicht in schlechter Absicht gehandelt. Ich wollte nur den Schutz der Heiligen Jungfrau für Euch erbitten.«
»Der Herrgott genügt Euch also nicht!« schrie mein Vater mit erregter Stimme. »Ihr müßt immer erst Eure kleinen Götter und Göttinnen anrufen! Wisset Ihr nicht, worauf solches hinausläuft? Und daß nichts dahintersteckt als heidnischer Aberglaube, zum Himmel stinkendes Götzentum, pestilenzialisches Verkennen von Gottes Wort? Tausendmal habe ich es Euch erklärt, Madame, doch obwohl Ihr das Glück habt, des Lesens mächtig zu sein, weigert Ihr Euch beharrlich, das Wort Gottes seiner authentischen Quelle zu entnehmen, nämlich der Heiligen Schrift, und vertrauet lieber blind den Fabeleien Eures Pfaffen!«
In diesem Augenblick kniff mich die kleine Hélix in den Arm, und ich antwortete mit einem Stoß meines Ellenbogens, wobei ich einen eisernen Kessel vom Tisch riß, welcher mit großem Klirren auf den steinernen Fußboden fiel.
Sogleich öffnete sich die Tür des großen Saales, mein Vater erschien und schrie mit hochroten Wangen und blitzenden Augen:
»Was treibt ihr hier? Ins Bett, aber flugs! Oder ich peitsche euch auf der Stelle durch, euch alle, ohne Ansehen des Alters, Standes und Geschlechtes!«
Mit einem Aufschrei ergriff Barberine ihre Öllampe und verschwand im Treppenturm, wohin wir ihr, zu Tode erschrocken, nachstürzten.
Die artige Kammerjungfer Cathau, welche dem Cabusse so über alle Maßen wohlgefiel und die in einem Kabinettchen neben dem Schlafgemach meiner Mutter ihr Lager hatte, verabschiedete sich im Obergeschoß hastig von Barberine, tausend Bemerkungen über das Geschehene auf den Lippen, welche sie ihr den folgenden Morgen mitteilen würde, doch über Nacht erst einmal für sich behalten mußte. Die Amme scheuchte ihre kleine Schar in das Zimmer im Westturm, darinnen sie selbst in einem großen, den Maßen ihres Leibes angepaßten Bett schlief,rechts und links daneben die Betten von Catherine und der kleinen Hélix, indessen das meinige, welches ich mit Samson teilte, am Kamin stand, worinnen im Winter mit einbrechender Nacht ein großes Feuer angezündet ward, denn die Türme waren eisig kalt: die Klappen vor den Pechnasen, durch welche etwaige Angreifer mit Steinen, flüssigem Pech oder kochendem Öl überschüttet werden konnten, schlossen nur schlecht, so daß bei windigem und regnerischem Wetter ein eisiger Luftzug die Feuchtigkeit der Wallgräben bis unter unsere Bettdecken trug.
Nachdem Barberine die Lampe auf ihrem Nachttisch abgestellt, kam sie an jedes Bett, einen jeden von uns liebevoll zuzudecken, welches allabendliche Ritual von vielerlei Küssen und Umarmungen begleitet ward als auch von allerlei leise geflüsterten Kosenamen, welche sie für einen jeden von uns erfand (auch für Samson, den sie gar nicht genährt). So für die kleine Hélix: »O du große Schelmin! Kleine Teufelin! Hübsches Hexlein!« Für Catherine: »Mein kleiner Golddukaten! Meine kleine Gottesperle!« Für Samson: »Du mein kleines Füchslein! Mein kleiner heiliger
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