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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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zurückgeleiten sollten, denn die Wege waren sehr unsicher, zumal das Gerücht umlief, in der Nähe von Belvès triebe eine starke Zigeunerbande ihr Unwesen, plündere einsame Höfe und griffe sogar Burgen an. Die Herren François und Geoffroy de Caumont blieben die Nacht über auf Mespech, denn sie wollten am folgenden Morgen mit meinem Vater zusammen nach Périgueux reiten, allwo sich die Edelleute der Provinz vor ihrem Aufbruch nach Paris versammelten.
    Nachdem der Notarius uns verlassen, sprach mein Vater mit seiner kräftigen, wohlklingenden Stimme:
    »Meine Freunde, angesichts der Gefahren, welchen wir im Norden bei der Verteidigung des Königreiches ausgesetzt sein werden, und derjenigen, welche die hier Zurückbleibenden bedrohen, sollten wir uns jetzt in einem gemeinsamen Gebet der Gnade und Barmherzigkeit Gottes anempfehlen.«
    Hierauf begann er mit Ernst, doch ohne falsches Pathos, ohne in das monotone Geleier unseres Pfarrers zu verfallen, ohne zu murmeln noch zu stocken, sondern jedes Wort deutlich artikulierend, das Vaterunser zu beten, das alle Anwesenden, auch die Kinder, mit ihm sprachen. Die Nacht war inzwischen vollends hereingebrochen, und die Dunkelheit ward nur vonzwei auf dem Tisch stehenden Öllampen erhellt. Dieses mit soviel Inbrunst gesprochene Vaterunser hat mich eigentümlich berührt. Und der Gedanke, daß mein Vater im Kriege getötet würde, wie es der böse Notarius Ricou beim Verlesen seines Papieres wieder und wieder gesagt, ließ mich erschauern, die Tränen liefen mir über das Gesicht. Gewißlich liebte ich meine Mutter und hatte auch Barberine, welche mich in meiner frühen Kindheit genährt, in mein Herz geschlossen, desgleichen meinen Halbbruder Samson – viel mehr als meinen älteren Bruder – und meine kleine Schwester Catherine; doch nichts auf Mespech war mir je bewundernswerter, stärker, gelehrter in allen Dingen, klüger, gewandter und unvergänglicher erschienen als Jean de Siorac. Ich liebte alles an ihm: seine hellen Augen, seine gewandte Rede, vor allem aber seine Art, sich aufrecht, mit geradem Hals und erhobenem Kinn auf seinen Beinen zu halten, und sogar die Narbe auf seiner Wange, die ihn in meinen Augen nur noch erhabener erscheinen ließ.
    Als das Gebet geendet, indes mir immer noch die Tränen aus den Augen schossen, ohne daß ich eine Hand rührte, sie abzuwischen, ereignete sich eine höchst unerquickliche Begebenheit, welche die Feierlichkeit des Augenblicks jäh beendete und mich bis ins Innerste erschütterte.
    Mitten in der andächtigen Stille, die auf das Vaterunser folgte, ergriff Isabelle de Siorac unversehens das Wort und sprach in ihrer lebhaftigen Art:
    »Mein lieber Ehegemahl, ich möchte dem Vaterunser noch ein kleines Gebet zu Eurem ganz besonderen Schutz hinzufügen.«
    Und fing an zu beten:
Begrüßet seiest Du, Maria.
Hätte der Blitz in den großen Saal von Mespech eingeschlagen, so wäre die Wirkung nicht schrecklicher gewesen. Sauveterre und Siorac erstarrten zu Bildsäulen: die Hände auf dem Rücken geballt und die Zähne zusammengebissen, durchbohrten sie Isabelle mit eisigen Blicken. Geoffroy de Caumont betrachtete seine Base kaum weniger grimmig, indes sein älterer Bruder, welcher ebenfalls der Reformation anhing, jedoch mit weniger Leidenschaft, sehr verlegen schien. Cathau, Barberine, die kleine Hélix und ich fielen ein und sprachen mit Isabelle das
Ave Maria.
Samson schwieg, denn aufgewachsen fern vom Einfluß meiner Mutter, hatte er dieses Gebet nie erlernt. François, welcher dieersten Worte nachgesprochen, hielt unversehens inne, als er die Miene meines Vaters gewahrte. Ich konnte eine solche Feigheit nicht gutheißen und sprach das Gebet bis zum Schluß mit; denn obzwar ich vermeinte, meine Mutter täte nicht recht daran, meinen Vater derart zu verärgern, wollte ich sie in ihrem Kummer nicht allein lassen, sah ich doch, wie ihr Kinn zitterte, obgleich sie unter den eisigen Blicken, die auf sie gerichtet waren, Haltung bewahrte. Die Vettern Siorac und die Soldaten standen schweigend, die Augen gesenkt, und schienen sich tausend Meilen weit hinweg zu wünschen.
    »Meine Freunde«, sprach mein Vater, als Isabelle de Siorac geendet, bleichen Angesichts, doch mit beherrschter Miene und ruhiger Stimme, »ziehet Euch nun für die Nacht in Eure Gemächer zurück. Ich will Abschied nehmen von meinem Weib.«
    Er umarmte François und Geoffroy de Caumont mit Herzlichkeit, und diese gingen als erste, gefolgt von dem hinkenden

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