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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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unter einer zerknirschten Miene versteckend.
    Die Gavachette sei nämlich, Gott sei’s geklagt (diese Heuchlerin!), nicht die Tochter des Maligou, sondern eines Zigeunerhauptmanns, der Anführer einer bewaffneten Bande war. Letztere habe vor vier Jahren ihr Haus überfallen und – unter Androhung, andernfalls das Korn auf dem Felde zu verbrennen, die Kühe zu verhexen und die Weinstöcke abzuhacken – das ganze Salzfleisch eingefordert, das auf dem Dachboden hing. Um seiner Weinstöcke willen habe der Maligou nachgegeben, doch nach der Übergabe des Fleisches habe der Zigeunerhauptmann, ein hochgewachsener Mann und schön wie ein Prinz, sie, die Maligou, mit seinen stechenden schwarzen Augen fixiert, mit dem Daumen das Zeichen des Kreuzes über ihrer Brust und ihrem Leib gemacht und in seinem halb katalanischen, halb provenzalischen Kauderwelsch zu ihr gesprochen: »Ich werde heute abend beim Schrei der Eule in deine Scheune kommen. Solltest du nicht da sein, werde ich in deinem Leibe, vom Gedärm bis zur Lunge, ein Höllenfeuer entzünden, welches bis zum Ende aller Zeiten brennen wird.« Und als sie dann um Mitternacht die Eule schreien hörte, habe sie sich erhoben (indes ihr Mann, welcher dem Weine gewaltig zugesprochen, um sich über den Verlust des Salzfleisches zu trösten, wie einToter schlief), sei zitternd in ihre Holzschuhe geschlüpft und habe sich wie unter Zwang in die Scheune begeben, wo der Räuberhauptmann sie in der rabenschwarzen Finsternis auf ein Heubündel geworfen und ihr mehr als fünfzehnmal Gewalt angetan. Was ihrerseits keine Sünde gewesen sei, sagte die Maligou, da alles durch Hexerei und Gewalt geschah.
    Über diesen Bericht, welcher schon so oft erzählt worden war, daß er niemanden mehr auf Mespech noch in unseren Dörfern sonderlich erregte (ausgenommen einige Jungfrauen, die ins Träumen gerieten), lachte mein Vater jedesmal aus vollem Halse, doch was die Ursache seines Gelächters war, sollte ich erst viel später erfahren.
    Zu den Neuankömmlingen auf Mespech zählten die Vettern Siorac, Benoît und Michel, die Söhne meines Oheims Raymond Siorac, den die letzte Pest in Taniès dahingerafft. Welch ein Glück für die Vettern, nun auf der Burg zu wohnen, hatten sie doch in ständiger Furcht gelebt, daß die Seuche eines Tages wieder aus dem Erdboden austreten könne, worinnen die Pesttoten ruhten; denn keiner hatte sie zu verbrennen gewagt, da der Pfarrer von Marcuays, der auch Sireil und Taniès mit versorgte, es bei Strafe ewiger Verdammnis verboten hatte. Benoît und Michel, zwei stämmige Burschen von gut dreißig Jahren, waren Zwillingsbrüder, welche einander wie ein Ei dem anderen glichen, wenig sprachen und sich in ihrem Innern recht sehr darüber grämten, daß sie nicht wußten, wer der Ältere von ihnen war, wenn der Unterschied auch nur eine Stunde betrug. Doch da die Mutter und der Vater und auch die Hebamme das Zeitliche gesegnet hatten, vermochte niemand in Taniès dies mehr zu sagen. Aus dieser Ursache konnte also keiner von beiden den kleinen Grundbesitz als alleiniger Erbe beanspruchen und auch keiner sich ein Weib nehmen, denn der Besitz vermochte nur einen Hausstand zu ernähren, nicht aber zwei.
    Die Maligou sagte – wenn die Zwillingsbrüder es nicht hören konnten –, sie seien schön dumm, nicht wenigstens
eine
Frau vor den Altar zu führen, denn die Jungfer würde die beiden doch niemals auseinanderhalten können, und was eine in Unwissenheit täte, sei keine Sünde. So hätten sie die Annehmlichkeiten eines Eheweibes, ohne die Kosten für zwei Familien aufbringen zu müssen. Aber solche Rede wäre den Zwillingsbrüdern gar lästerlich erschienen, waren sie doch beide gottesfürchtig und fügtensich bewußt in die Ehelosigkeit und in ein Leben Seite an Seite, zumal keiner ohne den anderen auszukommen vermochte. War einer von ihnen einmal allein, blickte er gleich betrübt nach allen Seiten und fragte einen jeden ängstlich: »Wo ist Michel?« Dann wußte man, daß Benoît es war, der sprach, ansonsten war es unmöglich, sie zu unterscheiden: gleicher Wuchs, gleiche Schulterbreite, gleiches schwarzgelocktes Haar, gleiches Gesicht und auch die gleiche Art, zu sitzen, die Nase in die Luft zu halten, auszuspeien, das Brot zu brechen oder die Suppe zu löffeln.
    Sauveterre ließ an Michels Hemdkragen ein blaues Band und an Benoîts Kragen ein rotes Band annähen, doch da sie zusammen schliefen und ihre Kleider achtlos aufs Bett warfen, griff Michel am

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