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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Morgen zuweilen das rote und Benoît das blaue Hemd, so daß alle Mühe vergebens war. Im übrigen mangelte es den beiden, so ehrliche Kerle sie sonst waren, nicht an einer gewissen Schalkhaftigkeit, und wenn jemand einen der Zwillingsbrüder im Hofe traf und wissen wollte, wer er denn sei, kam stets die gleiche Antwort: »Ich bin der Bruder des anderen.«
    Der Steinhauer Jonas war weniger glücklich, um der Verteidigung Mespechs willen seine Höhle verlassen zu müssen. Der Gedanke, seine kunstvoll behauenen Steine des Nachts unbeaufsichtigt zu lassen, machte ihm beträchtliche Sorge. Doch dafür hatte er hier mehr Gesellschaft, vor allem was die Frauenzimmer anbetraf, welche der arme Junggeselle bei Tische förmlich mit den Augen verschlang, insonderheit Barberine, deren milchweiße Haut und üppige Leibesformen es ihm angetan hatten. Mit unseren drei Soldaten, die in den Krieg gezogen, den beiden Brüdern Siorac und Faujanet war Jonas der siebte Junggeselle hier, ohne die vielen in den Dörfern ringsum zu zählen, welche ebenfalls unbeweibt bleiben mußten, da sie kein Haus besaßen, eine Familie zu beherbergen, oder keinen Acker, eine solche zu ernähren. Es war in der Tat Jammer und Schade, daß so viele Burschen ein Weib entbehren mußten, indes so manche Jungfer aus unseren Landen in Ermangelung eines irdischen Ehegemahls ins Kloster eintrat. Ich stelle diese Betrachtungen in einem Alter an, da selbst ich, der ich doch einer reichen Familie entstamme, aber nur Zweitgeborener bin, mangels eines ausreichenden Auskommens die Jungfer, welche mich verzaubert hat, nicht vor den Traualtar führen kann.So regiert in allem – auch über die Freuden der Liebe – das verwünschte Geld.
    Sauveterre machte sich große Sorgen wegen der erwähnten Zigeunerbande, welche die Gegend um Belvès verunsicherte und die Abwesenheit der Edelleute ausnutzte, um von den Burgen Lösegelder zu erpressen; denn was nützen die stärksten Befestigungen, wenn die Verteidiger zu gering in ihrer Zahl oder nicht hinreichend kriegsgeübt, was überall der Fall war, seitdem die wehrhaftesten Männer dem Heerbann zur Rettung des Königreiches Folge geleistet.
    Die Zigeuner waren von ihrer Sinnesart nicht vorrangig auf Blutvergießen und Gemetzel aus. Als Sieger vergewaltigten sie zwar die Weiber, doch ohne sie hinterher zu töten. Sie rührten auch die Kinder nicht an, in die sie ganz vernarrt schienen; es hieß, sie würden Kinder, die ihnen gefielen, sogar stehlen. Ehe sie eine Burg oder einen Weiler angriffen, traten sie in Unterhandlung und boten Schonung gegen die Herausgabe von Waffen, Geld und Nahrungsmitteln an. Doch geschah es auch, daß sie nach Empfang der Beute ihr Wort nicht hielten und trotzdem angriffen. Es ging das Gerücht, sie würden den niedergemachten Gegnern die Schamteile abschneiden, was unseren Sitten höchstlich widersprach; gleichwohl habe ich später in den großen Bruderkriegen des Königreiches von unseren Soldaten – ob Hugenotten oder Katholiken – Schlimmeres erlebt.
    Obwohl nur notdürftig bewaffnet, waren die Zigeuner sehr gefürchtet, denn sie griffen vornehmlich des Nachts an, erklommen in aller Heimlichkeit und mit größter Behendigkeit auch die höchsten Mauern und befanden sich schon innerhalb der Befestigungen, kaum daß Alarm geschlagen war. Und auf Mespech gab es nur noch einen einzigen Hauptmann, nämlich Sauveterre, und einen einzigen Soldaten: Faujanet. Jonas konnte freilich sehr gut mit Pfeil und Bogen umgehen, doch die Brüder Siorac mußten im Umgang mit der Arkebuse erst unterwiesen werden und so auch die Frauenzimmer, das heißt: meine Mutter, Cathau und Barberine, denn die Maligou legte angesichts eines Feuerrohres ein solches Gehabe an den Tag, daß Sauveterre sie schnell wieder an ihre Kochtöpfe zurückschickte. Auch meine Mutter leistete anfangs einigen Widerstand, jedoch auf andere Art, indem sie nämlich behauptete, es sei unvereinbar mit der Ehre einer adeligen Dame, ein Feuerrohr anzurühren. WoraufSauveterre mit finsterem Blick und schroffer Stimme erwiderte: »Madame, was würde wohl aus Eurer Ehre, wenn Mespech in die Hände des Feindes fiele?« Bei dieser Vorstellung erzitterte Isabelle, erblaßte und fügte sich.
    Auch François ward in die Geheimnisse der Arkebuse eingeweiht, worüber ich mich mächtig ärgerte, desgleichen Samson, denn unser älterer Bruder behandelte uns von da an nur noch mit unerträglicher Herablassung. Doch Sauveterre fand auch für uns, die Jüngeren,

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