Fortune de France: Roman (German Edition)
und wäre Jonas seinerzeit im Steinbruch und nicht bei uns auf der Burg gewesen, dann hätte das Hufgetrappel und Wagengeklapper gewiß sein Mißtrauen geweckt, und er hätte über Schleichwege Mespech warnen können.
Die Stiefel feucht vom Tau, die Hände hinter dem Rücken, den Schnurrbart keck gezwirbelt, kehrte Cabusse voller Lebensfreude und Besitzerstolz zu seinem Haus zurück, wo Jonas an seinem Strebepfeiler arbeitete.
»Ein Rundgang über mein Anwesen dauert schon seine Zeit«, sagte er, ohne zu prahlen.
»Du mußt es wissen, denn du machst diesen Gang ja jeden Tag«, erwiderte Jonas unwirsch.
Und verstummte, den Kopf voll bitterer Gedanken. Derweil ging Cabusse, die Hände auf dem Rücken, mit stolzgeschwellter Brust und federnden Knien um sein Haus herum, es ein weiteres Mal von allen Seiten zu bewundern.
»Ein prächtiges Haus«, sagte er.
»Es ist nicht übel«, erwiderte Jonas, »doch es fehlt ein Schafstall.«
»Ich werde einen bauen lassen.«
»Dann mußt du den Hauptleuten die Steine bezahlen.«
»Ich kann doch zahlen«, hielt Cabusse dagegen. »Mein Geld ist noch nicht aufgebraucht.«
»Das Haus hat nur zwei Zimmer unten«, sprach Jonas weiter. »Für eine Familie ist das wenig.«
»Daran habe ich schon gedacht.« Cabusse nahm eine Hand vom Rücken und zwirbelte sich den Schnurrbart. »Wenn Cathau mir Kinder beschert, werde ich Schlafkammern unter dem Dacheinrichten und, damit man hineinkommt, einen kleinen Treppenturm anbauen lassen.«
»Ei freilich, einen Turm!« rief Jonas. »Und warum nicht auch eine Zugbrücke, ein Torhaus und Pechnasen?«
»Ach, Steinmetz! Du machst dich lustig!« erwiderte Cabusse. »Doch kannst du nicht bestreiten, daß sich dein Strebepfeiler höchst prächtig ausnimmt und meinem Haus das Aussehen einer kleinen Burg verleiht.«
»Er wird sich prächtig ausnehmen, wenn er fertig ist«, sprach Jonas und fuhr sich mit dem Unterarm über die schweißnasse Stirn. »Hilf mir, diesen Steinblock zu tragen, Cabusse, und steh nicht bloß da wie ein feiner Herr, der den anderen bei der Arbeit zusieht.«
»Oh, Jonas, aus dir spricht der Neid!« sagte Cabusse, ihm zur Hand gehend. »Und der Neid ist eine gar abscheuliche Sünde.«
Zu zweien wuchteten sie den Steinblock an seine Stelle, was nicht ohne viele Mühe abging, obgleich sie doch beide von kräftiger Gestalt waren, Jonas indessen noch einen Kopf größer als Cabusse. Als sie geendet, richteten sie sich schwitzend und keuchend wieder auf.
»Der hat sein Gewicht«, sprach Cabusse.
»Er hat ein ganz schönes Gewicht«, erwiderte Jonas, »aber er wird auch in dreihundert Jahren immer noch da sein. Und wir sind dann schon tot.«
»Jetzt aber lebst du ja noch.«
»Nein, ich lebe nicht«, sagte Jonas. »Des Nachts allein mit meinen Ziegen und Zicklein in einer Höhle und des Tags allein mit meinen Steinen. Gewiß, ich liebe meine Steine, doch ich kann sie nicht in die Arme nehmen. Und dann besitze ich nichts in diesem schönen Périgord als das Hemd, das ich auf dem Leibe trage. Fürwahr, ich beneide dich, Cabusse, ob es eine Sünde ist oder nicht! Hätte ich nicht hier auf Mespech gegen die Zigeuner gekämpft, sondern in Calais gegen die Engländer, dann hätte ich heute Land, Haus und Weib. Das soll nicht heißen«, fügte er besänftigend hinzu, »daß ich dir deine Cathau nicht gönnte. Es mangelt weiß Gott nicht an Frauen auf dieser Welt, die einen Mann zufriedenstellen könnten. So zum Beispiel Barberine – wenn sie nicht schon verheiratet wäre.«
Und nach kurzem Nachdenken setzte er hinzu: »Oder Sarrazine.«
»Jetzt kommen wir der Sache schon näher!« sprach Cabusse. »Und ich habe sie noch nicht einmal gesehen, diese Sarrazine. Es heißt, sie hat Feuer unter dem Rock.«
»Welche Jungfer in ihrem Alter hätte das nicht?« Jonas nahm wieder seinen Hammer, und unter seinen kurzen, wohlgezielten Schlägen auf den rohen Steinblock flogen dünne Splitter wie Hobelspäne davon, so daß allmählich eine glatte Fläche entstand.
»Welche Jungfer in ihrem Alter hätte das nicht?« wiederholte er. »Und was soll daran schlecht sein? Aber wer stört sich daran? Von den beiden Hauptleuten derjenige, den dieses Feuer kaltläßt … und nicht derjenige, den es erwärmt: aus welcher Ursache die Herrin von Mespech verlangt hat, daß die Ärmste weggeschickt werde. So habe ich nicht einmal mehr das Vergnügen ihres Anblicks. Denn ein Fuchs erfreut sich schon am Anblick eines Huhnes, selbst wenn er es nicht erreichen
Weitere Kostenlose Bücher