Fortune de France: Roman (German Edition)
kann.«
Zu all dem schwieg Cabusse, fast beschämt darüber, daß er nun so reich und wohlversorgt war und diesen wackeren Gefährten so weit hinter sich gelassen hatte. Denn er mochte den Jonas gut leiden, weil Jonas – wie er selbst – seine Gedanken offen aussprach und dies – wie er selbst – mit rechter Zungenfertigkeit tat.
Jonas legte das Winkelmaß an seinen Stein an, zog eine Linie mit der verstählten Anreißnadel und begann, die zweite Seite zu behauen, mit den Hammerschlägen seine Worte gleichsam unterstreichend.
»DasA und O einer jeden Sache«, so sprach er, »ist das Geld. Hast du Geld, dann kannst du alles machen. Deinem Weib ein schönes Kind (ein Hammerschlag) und einer hübschen Schäferin gleich noch eins (wieder ein Hammerschlag). Und läufst keine Gefahr, davongejagt zu werden, denn du bist ja der Herr und wirst dich nicht selber davonjagen! Und warum bist du der Herr? Weil du Geld hast! Und wie kommst du zu Geld? Durch Arbeit? Beileibe nicht! Durch Arbeit bereicherst du nur deinen Herrn, dich selbst erhältst du damit nur am Leben. Zu Geld, zu gutem Geld, um Gottes schönes Land zu kaufen, kommst du durch Plünderei. Oder durch Handel. Doch der Handel, Gefährte (ein Schlag mit dem Hammer), oder das Geschäft mit Getreidedarlehen zu hohen Zinsen, wie es die Herren von Mespech betreiben (ein weiterer Hammerschlag), istauch Plünderei, nur auf weniger gewaltsame Art. Dank der Beute, die dir das Plündern der englischen Schiffe eingebracht – und obgleich Plündern eine Sünde ist –, bist du, Cabusse, fast schon ein kleiner Edelmann, besitzest Weib, Haus, Wald und Wiesen und bist stolz darauf. Cabusse, vermeinest du, daß ich weniger wert bin denn du?«
Auf diese unverblümte Frage antwortete Cabusse mit gascognischer Finesse und Artigkeit (welchselbe ihm Cathau so sehr geneigt gemacht).
»Du bist nicht weniger wert, Steinhauer, sondern mehr«, so sprach er feierlich, »denn du hast ein schönes Handwerk gelernt und übst es mit Liebe aus. Ich aber, obwohl Schäfer in meinen jungen Jahren, verstehe mich nur auf das Töten von Leuten, dazu ein wenig auf die Kochkunst, das Pferdestriegeln und das Pflügen; mehr zufällig habe ich noch ein paar kleine Handgriffe gelernt. Das alles zusammen ergibt jedoch kein richtiges Handwerk.«
»Und was bringt es mir ein, daß ich ein Handwerk verstehe?« Jonas zuckte mit seinen mächtigen Schultern. »Immer bin ich allein. Wie ein Wolf, der sein Rudel verloren. Es gibt Tage, da möchte ich den lieben Gott anflehen, er möge ein Wunder geschehen lassen und meine Ziege in ein Weib verwandeln oder – was vielleicht leichter wäre – mich selbst in einen Ziegenbock.«
»Gut, daß du mir das sagst«, sprach Cabusse lachend. »Wenn ich dann hier wohne und auf meinen Wiesen einen großen Bock herumlaufen sehe, werde ich höflich meinen Hut vor ihm ziehen.«
Worüber auch Jonas lachen mußte, doch wollte ihm das Lachen im Hals steckenbleiben. Er dachte daran, wie er im Winter, in seinen Schafspelz eingehüllt, auf seinem Lager aus Kastanienblättern liegen und in den stürmischen Nächten den Wind in seiner Höhle würde heulen hören, indes Cabusse, einen Steinwurf entfernt, in einem richtigen Hause in einem richtigen Bett läge, die Arme um seine liebreizende Cathau geschlossen.
Nach Cabusses Auszug behielten die Herren Brüder die Maligou als Köchin auf Mespech und boten auch den Brüdern Siorac an, zu bleiben. (Eigentlich ward nur einer gebraucht, doch wie hätte man die Zwillingsbrüder trennen sollen?) Sie stimmten mitgroßer Freude zu: die sichere Burg war ihnen lieber als ihr kleines Haus, und die Erinnerung an die Pest, welche ihren Vater dahingerafft, schreckte sie noch immer. Pedantisch auf rechtliche Absicherung bedacht, ließen sich die beiden Jeans ihre Absprachen mit den zwei Vettern vom Notario Ricou beurkunden. Das Schriftstück legte fest, daß die Vettern Siorac aus Taniès als Entgelt ihrer Arbeit auf Mespech freie Kost und Logis erhielten, jedoch keinen Lohn. Statt dessen verblieben ihnen fünfundsiebzig vom Hundert der Einkünfte aus ihren Äckern und Wiesen in Taniès, wobei die Feld- und Erntearbeiten von Mespech ausgeführt würden. Und falls keiner der beiden heiratete, sollte ihr Besitz nach ihrem Tode an die Herren Brüder oder deren Nachkommen fallen.
Ich weiß nicht zu sagen, ob Sauveterre oder Siorac diese Festlegungen erdacht hat, doch scheinen sie mir den Herren Brüdern sehr zum Vorteil zu gereichen, indes die
Weitere Kostenlose Bücher