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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Und es ist auch nicht alltäglich, im Alter von kaum zehn Jahren bei einem richtigen Wolf mit falbem Pelz und wilden Augen zu nächtigen, bei einer Ziege und ihren Jungen, die der Wolf nicht anrührte, und bei dem hünenhaften Jonas, der eingehüllt war in ein Schaffell und in sein eigenes Haarkleid, welches fast so dicht wie das des Wolfes war.
    Doch ich eile voraus; zuerst saßen wir um das Feuer, welches Jonas zwischen einigen hochgestellten Dachsteinen entzündete und dessen Flammen geraume Zeit mit dem kalten Wind, welcher aus der Deckenöffnung herabwehte, zu kämpfen hatten, bis der kalte Luftzug von oben dem aufsteigenden Rauch und dem warmen Luftstrom von unten weichen mußte. Die Maligou hatte uns in einem Korb ein gebratenes Huhn mitgegeben, von dem Samson und ich je einen Flügel verspeisten, Jonas die Keulen und der Wolf, oder vielmehr die Wölfin, den Rest. Es war wundersam anzuhören, wie sie, in ihrem falben Fell zwischen Jonas und mir liegend, die Schnauze leicht geneigt und die Augen vor Behagen halb geschlossen, die Hühnerknochen zwischen ihren kraftvollen Kiefern zermalmte. Als Nachtisch gab es Walnüsse, die Jonas zwischen Daumen und Zeigefinger aufbrach und im Handumdrehen auskernte. Nachdem er die Schalen ins Feuer geworfen, drückte er die Nußhälften in einen frischen Käse aus Ziegenmilch, und mit der Milch von seiner Ziege ward auch ein Krug gefüllt, der zwischen uns und Jonas die Runde machte, nachdem die Wölfin ihr Teil in einem Napf erhalten. Es war ein ungewöhnlicher Anblick, wie sie die schaumige Milch gleich einer Katze schleckte und dann mit der Zunge über die Lefzen fuhr, um sich auch das kleinste Tröpfchen nicht entgehen zu lassen.
    »Jonas«, fragte Samson, »wird deine Wölfin dir nicht eines Tages die Ziege auffressen?«
    »Warum sollte sie? Die Ziege gibt ihre Milch für sie wie für mich.«
    »Aber weiß das die Wölfin?«
    »Gewiß weiß sie das, die Tiere sind doch nicht ohne Verstand. Wenn ich die Ziege melke, steht die Wölfin dabei und läßt die Zunge heraushängen in Erwartung einer schönen Schale frischer, warmer Milch. Also weiß sie es gewiß.«
    »Aber ein Wolf will Fleisch«, sagte ich.
    »Deshalb bekommt sie auch ihr Teil von meiner Jagdbeute.« Ohne sich vom Fleck zu rühren, streckte Jonas seinen langen, muskelstarken Arm aus und ergriff einen dicken Beutel, welchem er drei Handvoll Kastanien entnahm, was angesichts der Größe seiner Hände eine ziemliche Menge ergab. Dann häufelte er in einiger Entfernung von den hohen Flammen des Feuers glühende Asche auf, in die er die Kastanien legte. Sogleich durchzog ein verlockender Geruch die Höhle, welcher mich an die gemeinsamen Abende winters vor dem Kamin auf Mespech erinnerte.
    »Jonas«, sprach Samson, »man sagt, deine Ziege werde sich eines Tages in ein Weib verwandeln, so daß du sie zur Ehe nehmen kannst.«
    »Wer sagt so etwas?«
    »Cabusse.«
    »Möge es Gott belieben, solches geschehen zu lassen!« sprach Jonas, ohne zu lächeln. »Denn mir ermangelt es gar sehr an Gesellschaft. Mir wäre es freilich lieber, wenn sich die Wölfin in ein Weib verwandelte und nicht die Ziege.«
    »Und warum das?«
    »Alldieweil die Ziege Milch und Käse gibt, was ein Weib nicht vermag. Und weil meine Wölfin schön ist.« Die Augen ins Feuer gerichtet, sprach er in einem so ernsthaften Ton, als hielte er eine solche Verwandlung für möglich und als stünde sie unmittelbar bevor. »Gar manche Jungfer wäre stolz, wenn sie so glänzende Augen hätte und so dichtes Haar.«
    Bei diesen Worten fuhr er mit seiner großen Hand streichelnd durch das Fell der Wölfin, welche ihm mit leisem Jaulen ihre Schnauze zuwandte und ihn so voller Liebe anblickte, daß ich vermeinte, jetzt gleich würde das Wunder geschehen.
    »Jonas«, hub Samson wieder an, »wie hast du deine Wölfin gezähmt?«
    »Mit Geduld und Freundlichkeit. Ich fand sie mit flackernden Augen, abgemagert bis auf die Knochen, in einem aufgewühlten Fuchsloch stecken. Sie hatte sich einen Lauf gebrochen, und um ihrem Rudel zu entkommen – ein Wolfsrudel tötet die verwundeten Tiere aus seiner Mitte und frißt sie auf –, hatte sie sich dort verkrochen. Ich habe ihr erst Milch, dann etwas Fleisch gebracht, und als sie aus dem Loch kriechen konnte, habe ich ihr mit einem Hanfseil das Maul zugebunden und ihr den gebrochenen Lauf gerichtet.«
    »Du verstehst dich also auch aufs Gliedereinrenken, Jonas?« fragte ich mit einem bewundernden Blick.
    »Nun ja, ich habe

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