Fortune de France: Roman (German Edition)
es bei meinem Großonkel gelernt, welcher sich auch auf allerlei Zauberei verstand, allerdings nur zum Guten, nie zum Schlechten, so daß er selbst vom Dorfpfarrer anerkannt war. Ach, wenn mein Großonkel noch lebte …« Er ließ seinen Satz in der Schwebe und blickte träumerisch auf seine Wölfin.
Darüber schlief ich ein wie Samson auch, auf einem Lager aus Kastanienblättern, das Jonas uns bereitet hatte; zugedeckt mit drei großen Schaffellen, darunter mir noch warm war, als ich im Morgengrauen nach dem Erlöschen des Feuers mit kaltem Gesicht erwachte. Ich war erstaunt, da ich die Lider öffnete, mich nicht im Turmgemach von Mespech zu befinden, und als ich sie wieder schließen wollte, sah ich zwei Raubtieraugen starr auf mich gerichtet. Mir sträubten sich die Haare. Es war die Wölfin.
»Jonas!« schrie ich.
»Was gibt es?« fragte Jonas, sich erhebend, den Kopf aus schwindelerregender Höhe mir zugewandt.
»Deine Wölfin sieht mich an.«
»Von einem Blick ist noch keiner gestorben«, erwiderte Jonas. »Schlaft weiter, Moussu Pierre. Es ist noch nicht Zeit für die Morgenmilch. Auch das Feuer ist noch nicht angezündet.«
Ich fiel wieder in Schlaf, und mir träumte, ein alter Mann mit erschrecklichen schwarzen Augen trete in die Höhle. Er war von großer Gestalt, größer noch als Jonas, über welchen er sich beugte, dabei unverständliche Worte murmelnd und seltsame Zeichen mit der Hand beschreibend. Da verwandelte sichJonas’ Antlitz in ein Wolfsgesicht, und auch sein großer Leib ward zu dem eines Wolfes. Er erhob sich und riß den Rachen auf, große spitze weiße Zähne zeigend, worauf er sich dicht neben seiner Wölfin niederließ und mit den Kiefern klapperte. Auch er blickte mich starr an, ohne daß ich zu erkennen vermochte, ob Haß oder Freundlichkeit in seinem Blick lagen.
Kaum hatten wir Mespech wieder erreicht, lief uns schon Barberine entgegen, gefolgt von der kleinen Hélix mit dem Wickelkind im Arm.
»Heiliger Himmel, da seid Ihr endlich! Moussu lou Baron erwartet Euch in seiner Bibliothek mit Moussu de Sauveterre, um eine Mitteilung von allerhöchster Bedeutung zu machen. Doch so könnt Ihr dort nicht erscheinen – Ihr stinkt ganz unerträglich. Geht Euch säubern und kämmen.«
Was wir ungesäumt taten. Wir wechselten auch die Wäsche, doch Barberine klagte, wir würden immer noch nach »Ziege, Wolf und Schlimmerem« riechen. Wir zogen gerade jeder ein neues, steifes, nach Lavendel duftendes Hemd über, als die Maligou eintrat und an uns herumschnüffelte.
»O Ihr Ärmsten!« rief sie, »überall Schwefelgeruch! (Sie machte das Kreuzeszeichen über unseren Köpfen.) Habe ich es mir doch gedacht: diese Wölfin ist eine Hexe, welche die Gestalt eines Tieres angenommen, um unseren Steinmetz zu verlocken und geradewegs in die Hölle zu schleppen.«
»Schweig still, Maligou«, sprach Barberine. »Die Hauptleute mögen es nicht, wenn man so spricht – und noch dazu vor den jungen Herren.« (Obgleich ihr deutlich ins Gesicht geschrieben stand, daß die Worte der Maligou auch auf sie ihren Eindruck nicht verfehlt hatten.)
»Sagt mir doch, Moussu Pierre«, fuhr die Maligou mit einem vielsagenden Blick fort, »ob Jonas seiner Wölfin nicht in Liebe zugetan ist.«
»Ei gewiß!« erwiderte ich. »Er wünscht sich gar, daß Gott sie in ein Weib verwandeln möge, welches er heiraten kann.«
»O Gott!« rief die Maligou, wobei die weichen Massen ihres unförmigen Leibes wie eine Gallerte zu zittern begannen. »Habe ich es mir doch gedacht. Unser Steinmetz zappelt schon, verblendet und verführt, im Netz der siebenundsiebzig Höllengeister. Es ist nicht etwa der liebe Gott, der Wölfinnen in Weiber verwandelt, Moussu Pierre, sondern der Teufel. Unddeshalb kann es in einem solchen Fall auch keine Trauung vor dem Altar geben, sondern nur schändliche Unzucht in einer Höhle unter den Blicken einer Ziege. Ach, der arme Jonas! Und dabei ist er ein so schönes Mannsbild! So groß, so kräftig und so behaart! Aber wie heißt es doch: Unzucht und Unkeuschheit sind die Wege zur Hölle.«
»Du mußt es wissen«, sprach Barberine darauf, weil ihr solche Rede mißfiel, »du hast in deiner Scheune vierzehnmal mit einem Zigeunerhauptmann gefehlt.«
»Fünfzehnmal«, sagte die Maligou, sich bekreuzigend. »Doch ich habe nicht gefehlt. Wie du weißt, ward mir Gewalt angetan. Zumindest beim ersten Mal. Danach habe ich mich dem Willen Gottes gebeugt.«
In der Bibliothek erwarteten uns die Brüder in
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