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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Gegenwart eines bejahrten, ganz in Schwarz gekleideten Fremdlings, welcher uns mit seinem weißen Bart, seinem bleichen Angesicht, seinem hohen, kräftigen Wuchs und seiner erhabenen Unbewegtheit wie der Moses unserer Bibel vorkam. Später erfuhr ich, daß er Raymond Duroy genannt ward und zu Sarlat Pastor der reformierten Religion war, obgleich noch heimlich. Sauveterre, auch er ganz in Schwarz, und Raymond Duroy saßen voller Ernst und Gemessenheit auf ihren Stühlen, indes mein Vater, in Grün gekleidet (welches die Farbe meiner Mutter war), auf und ab ging, bald vor dem Fenster stehenblieb, bald hinter Sauveterres Stuhl, dessen Lehne er mit beiden Händen umfaßte, dann wieder zum Fenster zurückkehrte, das Gesicht eher gespannt denn ernst. Er war offensichtlich außerstande, auch nur eine Minute an ein und derselben Stelle zu verharren.
    »Da seid Ihr ja, Ihr Schlingel!« sprach er, als er uns eintreten sah, wobei sein Gesicht sich unversehens aufhellte, er jedoch seiner Neigung widerstand, die Arme zu öffnen und uns an sein Herz zu drücken. »Habt Ihr die Wölfin gesehen? Ist sie schön? Seid Ihr nun zufrieden?«
    »Das sind wir«, antwortete ich, etwas widerstrebend nach dem, was ich von der Maligou gehört.
    »Nun denn«, fuhr mein Vater fort, dem seit meinem gewaltigen Streit mit François viel daran lag, daß Eintracht zwischen seinen Söhnen herrsche, »begrüßet Euren älteren Bruder und setzet Euch.«
    Ich trat nach vorn und ward François gewahr, welchen dieLehne seines Stuhles meinen Blicken verborgen hatte. Er saß gegenüber den Brüdern und Raymond Duroy mit gekreuzten Armen und ernstem Gesicht – die Tugend in Person. Ich bot ihm meinen Gruß, und er tat mir die Ehre an, mich auf beide Wangen zu küssen, desgleichen Samson.
    »Meine Söhne«, hub mein Vater wieder an, »wir haben Euch eine bedeutsame Neuigkeit mitzuteilen und einen gewichtigen Entschluß, welchen Monsieur de Sauveterre und ich gefaßt.«
    Er hielt einen Augenblick inne und fuhr sodann fort:
    »Höret zuerst die Neuigkeit. Am 5ten Dezember ist Franz II. einem Ohrenfluß verstorben. Er hat kaum anderthalb Jahre auf dem Thron gesessen und zählte sechzehn Jahre bei seinem Tod.«
    Er hielt wieder inne und warf Pastor Duroy einen Blick zu, als erwarte er von ihm einen Kommentar. Der Pastor wandte uns sein bleiches Angesicht mit dem langen weißen Barte zu und sprach mit feierlicher Stimme:
    »Hier hat sich uns das Wirken Gottes offenbart. Der Strahl seines Zorns hat den Vater am Auge und den Sohn am Ohr getroffen, weil der eine die Wahrheiten der Reformation nicht sehen und der andere sie nicht hören wollte.«
    »Die Folge«, sagte mein Vater, »zeigt sich bereits: die Guisen sind entmachtet worden. Nie zuvor war die Lage im Königreich so günstig für unsere Sache wie heute. Zwei Prinzen von Geblüt haben sich unseren Reihen angeschlossen, nämlich Anton von Bourbon, König von Navarra, und sein Bruder, der Prinz von Condé, welchen die Guisen eingekerkert hatten und den Königin Katharina, die während der Minderjährigkeit Karls IX. die Regentschaft ausübt, jetzt freigelassen hat. Coligny hat alle seine Titel zurückerhalten und ist wieder Admiral von Frankreich, wie auch d’Andelot wieder in den Rang des Generalobristen der Fußtruppen eingesetzt ward. Im ganzen Königreich haben zehn Bischöfe für uns Partei ergriffen, darunter der Bischof von Périgueux. Der von der Königin Katharina bestallte Kanzler Michel de L’Hospital begünstigt uns im geheimen, und es heißt sogar, die Regentin selbst neige der Reformation zu. In Wahrheit«, setzte er mit einem flüchtigen Lächeln hinzu, »ist sie jedoch eine Wölfin, die sich lammfromm zeigt wie die Wölfin von Jonas.«
    Er machte eine Pause und hub wieder an:
    »Hier im Périgord stehen die vier Brüder Caumont, deren Einfluß sich auf die uneinnehmbare Burg Castelnau gründet, schon seit langem auf der Seite der Reformation. Und Baron von Biron, als Hauptmann der königlichen Kompanien im Amtsbezirk Sarlat, wird nichts gegen uns unternehmen, selbst wenn er den Befehl dazu erhielte: bei jenem Tumult zu Anfang Dezember, als das Volk sich darüber erregte, daß der hier anwesende Monsieur Duroy einen der Unseren unter der Totenleuchte ohne Pfaffen noch Kerzen begrub, hat Biron dem Bischof von Sarlat den Beistand seiner Soldaten verweigert.«
    Mein Vater verstummte aufs neue und fuhr dann fort, ein jedes Wort betonend:
    »Nach reiflicher Überlegung sind Monsieur de Sauveterre

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