Fortune de France: Roman (German Edition)
und ich zu der Überzeugung gelangt, daß es jetzt an der Zeit sei, nicht mehr die Messe zu hören, sondern offen unseren Glauben zu bekennen. Meine Herren Söhne«, er blieb vor uns stehen, die Hände in die Hüften gestemmt, und blickte uns einen nach dem anderen mit ungeduldiger, strenger Miene an, »was vermeinet Ihr dazu? Sprecht, werdet Ihr Eurem Vater folgen?«
»Ich werde den Glauben meines Vaters gern und mit ganzem Herzen annehmen«, antwortete François – ein wenig zu eilfertig nach meinem Geschmack.
»Ich hänge bereits dem neuen Glauben an«, sprach Samson mit sanfter Stimme, »und kenne keinen anderen.«
Da ich stumm blieb, warf mir mein Vater einen gebieterischen Blick zu und fragte barschen Tones:
»Und du, Pierre?«
Worauf ich mit klopfendem Herzen sagte:
»Ich bin von meiner Mutter mit Eurer Billigung im katholischen Glauben erzogen worden. Aber mit meinen knapp zehn Jahren bin ich noch sehr unwissend. Darf ich Euch deshalb bitten, daß Ihr mich, ehe ich Euch in die reformierte Religion nachfolge, etwas näher über selbige unterrichtet?«
Die Augen meines Vaters loderten gefährlich auf.
»Ich werde keine ausweichende Antwort dulden!« herrschte er mich an. »Sieh dich vor, Pierre! Dein Zögern, mir nachzufolgen, könnte dir von Beelzebub eingegeben worden sein! …«
Da hob Pastor Raymond Duroy die Hand und sprach gemessenen Tones:
»Ein fester Glaube braucht ein solides Fundament. Nicht immer hat der Teufel seine Hand im Spiel. Wenn es Pierres Wunsch ist, in den Wahrheiten unseres Glaubens unterwiesen zu werden, dann will ich diese Unterweisung gern übernehmen.«
Tief getroffen von dem plötzlichen Zorn meines Vaters, welcher in allen Dingen mein Vorbild und mein Held war, blickte ich Pastor Duroy an. Ich war ihm dankbar für seinen unerwarteten Beistand, doch je länger ich seine herkulische Gestalt, seinen ehrwürdigen weißen Bart, seine von Wissen und Weisheit gewölbte Stirn betrachtete, desto kleiner fühlte ich mich vor ihm. Sein bleiches Angesicht war beherrscht von tiefgründigen schwarzen Augen, deren glühendem Blick man nur mit Mühe standzuhalten vermochte, und mir ward bewußt, daß ich diesem gewaltigen Verfechter des neuen Glaubens schwerlich würde widerstehen können.
SECHSTES KAPITEL
Pastor Duroy brauchte keine acht Tage, mich zu dem neuen Glauben zu bekehren, obgleich er während dieser Zeit noch vielerlei andere Dinge tat; denn er war ein Mann von rastloser Regsamkeit, ständig unterwegs mit seinem Roß, dem Volke landauf, landab den rechten Glauben zu verkünden.
Bei mir hatte er schon halb gewonnen, noch ehe er den Mund aufgetan, hatte ich doch schon seit meinen frühen Kindesjahren begriffen, daß auf Mespech die Messe eine Angelegenheit der Frauen und des Gesindes war. Die katholische Religion ward für mich verkörpert durch Pfarrer Feuerzange, diesen unwissenden, lüsternen Saufbruder, der während der Beichte seltsame Fragen stellte, welche ich mit Verwirrung anhörte, weil darin von ganz unerhörten Dingen die Rede war. Die Katholiken waren auch jene Bösen, welche Anne Du Bourg verbrannt hatten und noch viele andere Märtyrer mehr, von denen die Brüder mit höchster Ehrfurcht sprachen. Und da ich niemanden mehr bewunderte denn meinen Vater und Oheim Sauveterre, gehörte ich durch sie bereits einer großen Bruderschaft an – der Partei der verfolgten Hugenotten –, noch ehe ich deren Glauben annahm.
Diesen Glauben nahm ich indes nicht ganz ohne Vorbehalte an, welche ich allerdings verschweigen mußte, um meinen geliebten Vater nicht noch mehr zu erzürnen. So begriff ich nicht recht, was man mir vom ewigen Heile sagte, daß man es nämlich durch Gottes Gnade und nicht durch die eigenen Werke gewänne. In meinem vielleicht etwas einfachen Sinne schien mir die Religion meiner Mutter in diesem Punkte befriedigender. Auch hing ich sehr am Fegefeuer, welches ich für eine recht bequeme Einrichtung hielt, worin ich reuevoll einen kurzen Aufenthalt in Kauf genommen hätte, um mich von meinen Verfehlungen reinzuwaschen, insonderheit von meinen Spielchen mit der kleinen Hélix.
Mehr noch hing ich an der Jungfrau Maria, die mich an Barberinedenken ließ, an ihre mütterliche Brust, ihr sanftes Angesicht, ihre tröstenden Arme. In dieser neuen Religion hatte man nur Männer zu lieben, wenn ich meine kindliche Auffassung hier so ausdrücken darf. Und was ich damals empfand, denke ich auch heute noch in gewisser Weise. Denn da nun einmal – selbst wenn
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