Fortune de France: Roman (German Edition)
regnerisches und windiges Wetter mit Nachtfrösten, so daß man eher den Winter als den Sommer kommen wähnte. Am 15ten setzte dann endlich trockenes, sonniges Wetter ein, und Siorac ließ alle Sensen hervorholen. Sie wurden von dem Fett befreit, womit sie eingestrichen waren, und zeigten sich alle glänzend und scharf, außer einer, welche von vielem Gebrauch stumpf geworden. Sogleich hieß er Faujanet – denn keiner verstand sich darauf besser als dieser –, sie zu dengeln, zu welchem Behufe Faujanet die Schneide auf einem Dengelstock zwei Stunden lang mit so treffsicheren und gleichmäßigen Hammerschlägen bearbeitete, daß ich ihm dabei mit Bewunderung zusah.
Man benachrichtigte die Zinsbauern, deren Hilfe gebraucht ward, und am nächsten Morgen nahmen die Schnitter – unsere Soldaten (unsere zwei Soldaten, da Coulondre wegen seines eisernen Armes nicht zu mähen vermochte), Faujanet, Jonas, Michel und Benoît Siorac, der Maligou, Fougerol (aus Taniès) und Délibie von Flaquière – bei Sonnenaufgang am Rande unserer oberen Wiese Aufstellung, dabei den rechten Abstand untereinander beachtend, damit keiner den anderen behindere.
Da ich – ebenso wie Samson – schon im zehnten Jahr meines Alters stand, hatten wir uns mit den anderen am zeitigen Morgenerheben dürfen, um mit einer alten, schartigen Sense die Brennesseln am Wegesrand zu schneiden, wobei ich senste und Samson harkte oder auch umgekehrt. François hingegen hielt mit den Herren Brüdern und Coulondre Eisenarm Wache, indem er mit ihnen oben auf dem Hügel und am Waldrand auf und ab ritt, eine ungeladene Pistole in der Satteltasche und die Faust in der Hüfte. Doch als die Sonne zu brennen begann, zog er sich, ermüdet von der Schaukelei auf dem Rücken seines kleinen Wallachs, ins Haus zurück und tauchte auch zu dem gemeinsamen Essen, welches wir in der elften Stunde unter dem großen Nußbaum einnahmen, nicht wieder auf, denn er mischte sich nicht gern unter unsere Leute und wurde von ihnen auch nicht sonderlich geliebt. Unsere Perigurdiner schätzen bei einem jungen Burschen neben der Tatkraft vor allem den offenen Blick, ein fröhliches Lachen und eine flinke Zunge, so daß ihnen die Schweigsamkeit unseres älteren Bruders gar wenig zusagte – sie mißtrauten dem Schweiger wie dem Hunde, der nicht bellt.
Die Brennesseln waren in dem verregneten Juli mächtig ins Kraut geschossen und hatten sich auch stark vermehrt, so daß Samson und ich ein wahres Gemetzel unter ihnen begannen und gewaltige Degenschläge austeilten, ohne auch nur eine einzige zu verschonen. »Da, nimm hin, verruchter Engländer!« rief Samson, »das wird dich lehren, herüberzukommen und Calais zu besetzen, anstatt in deinem Königreich zu bleiben.« So machten wir Tausende von diesen Unglücklichen nieder, zumal sie kaum Gegenwehr leisteten und nur einfältig die wehrhaften Nesselblätter und die langen Stengel hin und her schwenkten, welch letztere sich so leicht durchsäbeln ließen, daß auch ein Stock genügt hätte.
»Holla, ihr Burschen!« rief mein Vater uns halb ernst, halb spöttisch von seinem Roß herab zu, »ihr hinkt der Geschichte des Königreiches hinterher. Die Engländer sind nicht mehr unsere Feinde, seitdem sie Calais zurückgegeben und die blutige Mary abgelöst ward durch Elisabeth, die keine Papistin ist.«
Am Rande der Wiese bereitstehend, erwarteten die Schnitter das Zeichen der Hauptleute zum Beginn. Fröstelnd in der leichten Morgenbrise, denn in Vorausahnung der kommenden Hitze und des zu erwartenden Schweißes waren sie nur leicht gekleidet, tasteten sie mit der Linken prüfend nach dem wassergefüllten Kumpf am Gürtel, worinnen der Wetzstein steckte,indes die andere Hand auf dem Rücken der Sense ruhte, die vor ihnen aufgepflanzt stand – ganz so, wie man gemeiniglich den Tod als Sensenmann abgebildet sieht. Dabei waren sie alle neun eher wohlgemut denn traurig gestimmt – trotz der vor ihnen liegenden Arbeitsmühen hatte der Tag auch etwas Festtägliches an sich.
Auf Mespech pflegte man zur Zeit der Heuernte nicht am Essen zu sparen. So hatten die Mäher sich gegen vier Uhr auf der Burg erst einmal an einer dicken Gemüsesuppe mit Speckstücken sowie an Fleischbrühe mit Wein gelabt.
Nun ließen sie vom Wiesenrain her ihre Augen schweigend über das wogende Gras schweifen, welches den Hang bis zum Waldrand hinunter bedeckte. Potz Blitz, es war nicht schlecht gediehen in dem vielen Regen, das Prachtstück von Wiese. Hoch, saftig und
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