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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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dicht stand das Gras und erstreckte sich in solch unendlicher Weite, daß es einen deuchte, auch neun Schnitter vermöchten niemals bis zum Abend alles zu mähen. Es war wohl besser, nicht allzusehr daran zu denken, sondern vielmehr an den Imbiß, den es in der elften Stunde geben würde: gutes weißes Brot, reichlich Salzfleisch und dazu Wein, bei dessen Zumessung nicht geknausert wurde.
    Ein Stück unterhalb, auf einem Wagen im Schatten eines Baumes, lagen ein Dutzend geladene Arkebusen, welche die Herren Brüder hatten herbringen lassen, damit die Schnitter im Falle eines Angriffes nicht unbewaffnet wären. Sie wußten den Hauptleuten Dank für diese Vorsichtsmaßnahme und auch dafür, daß diese während der ganzen Heumahd Patrouille ritten, was gewißlich nicht alle Herren taten, von denen so mancher lieber seine Leute ohne jeden Schutz ließ, als daß er sich durch einen im Sattel verbrachten Tag einen schmerzenden Hintern holte.
    Als Jean de Siorac den Arm zum Zeichen des Beginnes hob, straffte sich Faujanet, welcher als linker Flügelmann in der Reihe der Schnitter stand, und tat den ersten Hieb, wobei seine Sense zischend durch die tauweichen Halme fuhr, das geschnittene Gras in gleichmäßigem Schwad zur Linken des Mähers häufend. Jonas stand als zweiter in der Reihe und wartete, bis Faujanet einen guten Klafter Vorsprung gewonnen, ehe er seinerseits ans Werk ging, und sein rechter Nebenmann, Fougerol, wartete wiederum, bis Jonas sich einen guten Klafterin die Wiese hineingemäht hatte. Diese Staffelung setzte sich von Schnitter zu Schnitter bis zum rechten Flügelmann fort, welcher sich mit acht Klaftern Rückstand zu Faujanet bewegte. Dergestalt zeichnete sich vor einem jeden deutlich der Streifen Wiese ab, den er zu mähen hatte, und es war ausgeschlossen, daß die Sense eines Schnitters im Schwung auf die seines Nebenmannes traf oder zwischen beiden etliche Halme stehen blieben.
    Auf diese Weise fiel Faujanet, dem linken Flügelmann, das Amt des Oberschnitters zu, nach dessen Geschwindigkeit sich alle anderen zu richten hatten und der ihnen auch die Wetzpausen vorgab, indem er zweimal in ein kleines Horn stieß, welches er an einem Band um den Hals trug. Die Herren Brüder hatten Faujanet mit Vorbedacht für dieses Amt ausgewählt, nicht weil er am besten zu mähen verstand, sondern weil er im Gegenteil ein ganz durchschnittlicher Schnitter war, nicht zu kräftig noch zu schnell, welchem alle zu folgen vermochten, so daß keiner zurückbleiben und dadurch die sinnreiche Staffelung der Schnitter zerstören würde.
    Faujanet selbst deutete das ihm übertragene Amt indes keineswegs in der beschriebenen Art. Für ihn war die Heumahd, wie mein Vater lächelnd anmerkte, eine Zeit der Ehre und der Macht, und wenn der kleine Kerl zweimal in sein Horn stieß (oder dreimal: zum Weitermachen), konnte man an seinem Gesichtsausdruck ersehen, welchen Wert er seinen Obliegenheiten beimaß. Zudem liebte er das Mähen, obgleich die Sense ihm nicht so federleicht in der Hand lag wie Jonas, sondern er die Anstrengung sehr wohl spürte in den Lenden, in den Armen, beim Drehen des Oberkörpers, beim Anspannen seiner kurzen Beine, um der gebeugten Leibeshaltung entgegenzuwirken; doch war es eine sparsame Anstrengung, bemessen auf die noch kommenden Mühen. So achtete er darauf, daß die bei jedem Schwung erfaßte Menge Gras mäßig blieb und er die Sense nach erfolgtem Schnitt nicht zu schnell zurückführte, sondern sein Zeitmaß einhielt. Und sobald er Müdigkeit in seinen Gliedern aufsteigen spürte, ließ er sein Horn ertönen, um die Wetzpause zum Verschnaufen zu nutzen, dabei den feuchten Stein abwechselnd über die eine und die andere Seite der Schneide führend. Das wichtigste war nicht, schnell voranzukommen, sondern bis zum Ende durchzuhalten. Zudem warsich Faujanet bewußt, daß der schwerere Teil der Arbeit noch bevorstand; am Morgen war das Gras weich und gefügig, doch zwei, drei Stunden später, wenn die Sonne den Tau getrocknet hatte, würde das Mähen weit mehr Kraft erfordern, indes die Mäher dann die ihrige schon zum Teil aufgebraucht hatten und der Schweiß ihnen von der Stirn in die Augen rann und über den Rücken lief. Dann würde man mehr und längere Wetzpausen einlegen müssen, nicht, um die Sensen zu schärfen (ob gleich eine Sense nie scharf genug sein kann), sondern damit die Schnitter verschnaufen könnten.
    Seine Pflichten ließen Faujanet die Müdigkeit weniger spüren, doch wenn sie ihm zu

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