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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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wir Bilderverehrung und Götzendienst ablehnen – kein Gott ganz ohne menschliche Ähnlichkeit auskommt, deucht es mich sehr bedauerlich, wenn nichts vom Weib, ja nicht einmal die Mutterschaft, in den Rang des Göttlichen erhoben wird.
    Mein Vater hatte seine Söhne geheißen, Stillschweigen über den Entschluß der Herren Brüder zu wahren, bis ich mich ihnen angeschlossen hätte, und so ahnten während meiner achttägigen Unterweisung weder meine Mutter noch die Brüder Siorac und auch niemand vom Gesinde, daß Mespech – sie alle eingeschlossen – in das Lager der Reformation übergehen würde. Und überdies gedachte mein Vater, sich Isabelle de Siorac für zuletzt aufzusparen, und hatte verfügt, daß sie den Abend des 22sten Dezember mit Franchou in ihren Gemächern verbringen solle. Er wollte nämlich den Umstand, daß an jenem Abend Jonas, Cathau und Cabusse auf der Burg sein würden, dafür nutzen, um nach der Abendmahlzeit eine Massenbekehrung vorzunehmen.
    Die beiden Leuchter, welche seit dem Abend, da Sauveterre uns die Eroberung Calais’ im Jahre 1347 geschildert, nicht wieder in Gebrauch genommen worden waren, wurden auf Jean de Sioracs Geheiß von der Maligou angezündet, um die Feierlichkeit der Stunde hervorzuheben oder vielleicht auch das Licht zu versinnbildlichen, welches die Herren Brüder ihren Bedienten zu bringen gedachten. Am oberen Ende der Tafel, welche die Frauenzimmer von den Resten der Mahlzeit gesäubert, saßen der Baron von Siorac, Monsieur de Sauveterre und Pastor Duroy, dessen weißes Haar im Scheine der Kerzen leuchtete, so daß sein ehrwürdiges Haupt wie mit einem Heiligenschein umgeben schien.
    Zu beiden Seiten der langen Tafel hatten mit Ausnahme von Franchou, welche der Dienst an ihrer Herrin im Obergeschoß zurückhielt, all unsere Leute Platz genommen, und zwar gemäß einer genau festgelegten Ordnung, in der Rang und Stellung der einzelnen Tischgenossen vom oberen Ende (allwo derPastor und die Herren Brüder saßen) zum unteren (das den Frauen vorbehalten war) immer weiter abnahmen: zuerst kamen die Söhne des Hauses, gefolgt von Catherine (welche damals sechs Jahre zählte), hernach die Brüder Siorac (sie gehörten zu unserer Verwandtschaft), alsdann Cabusse mit seinem Weib (sie besaßen das Anwesen Le Breuil), die beiden Soldaten (weil sie schon viele Jahre in unserem Dienst verbracht), Jonas und Faujanet (welche erst kürzlich in den Dienst genommen), schließlich Barberine, die Maligou, Franchou (so sie anwesend war), die kleine Hélix mit Annet, dem Kind unserer Amme, im Arm und zu guter Letzt die Gavachette, welche so alt wie meine Schwester Catherine war.
    Unsere Bedienten hatten wohl schon eine Vorahnung dessen, was geschehen sollte; zum einen waren ihnen die Überzeugungen der Herren Brüder seit langem bekannt, wenn auch – aus Vorsicht oder Ergebenheit – keiner von ihnen jemals außerhalb unserer Mauern etwas davon hatte verlauten lassen; und zum anderen wußten sie, wer Raymond Duroy war, denn der Tumult, welcher auf die hugenottische Bestattung Delpeyrats gefolgt war, hatte ihn in der ganzen Umgegend bekannt gemacht. Indes ahnten sie wenig von der Entscheidung, welche ihnen abverlangt werden sollte, in ihrem einfachen Gemüt gewißlich vermeinend, daß katholische Bediente ihren Dienst bei einem hugenottischen Herrn fortsetzen könnten, als sei nichts geschehen.
    Von diesem Irrtum befreite sie mein Vater. Bald sitzend, bald stehend, auf und ab gehend, dann wieder verweilend, die Arme gekreuzt oder auch in die Hüften gestemmt, sprach er in seiner lebhaften, ungeduldigen Art auf sie ein. In seiner Leidenschaftlichkeit drückte er sich nicht immer ganz klar und denkgerecht aus, doch so, daß der Sinn verständlich blieb, nämlich: Monsieur de Sauveterre, der Baron de Siorac und dessen drei Söhne François, Pierre und Samson würden sich öffentlich zur reformierten Religion bekennen und erwarteten von ihren Anverwandten (dies galt den Brüdern Siorac), von ihren Freunden (dies richtete sich an Cabusse und Cathau) als auch von ihren Bedienten, daß sie ihnen auf diesem Wege folgten. Erstlich weil es der Weg der göttlichen Wahrheit war, welche die Papisten verfälscht, die Reformierten jedoch in ihrer ursprünglichen Reinheit wiederhergestellt hatten. Und weil es zweitens den Herren Brüdern in den gegenwärtigen unruhigen Zeitenschwerfiele, ihr Vertrauen auf Dauer in jemanden zu setzen, der nicht ihrer Religion anhinge und der eines Tages von seinem

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