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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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daran erinnernd, wie er vor dem Bischofspalast zu Sarlat abgewiesen ward, als er um ein Stück Brot bat.
    »Und so habgierig, daß sie noch die Laus um den Balg schinden«, ließ sich Cabusse vernehmen.
    »Ich könnte dir einen Domherren nennen«, sprach Jonas, zu Cabusse gewandt, »aus nächster Umgebung, welcher mit seinem langen Rosenkranz in so manchen Beutel zu langen versteht.«
    »Und den k-k-kenne ich auch«, setzte Marsal Schielauge hinzu.
    Nur Coulondre schwieg, so sehr war das Schweigen ihm zur Gewohnheit geworden. Indes wußten alle, daß er kein Glaubenseiferer noch großer Kirchgänger war, hatte ihn doch die Bitterkeit über den Verlust seines Armes dem Glauben seiner Väter etwas entfremdet. Auch Cabusse zeigte in Glaubensdingen wenig Eifer und empfand wie alle Gascogner nur geringe Hochachtung vor der Geistlichkeit. Reichlich gesegnet mit den Gütern dieser Welt – einem Anwesen, einer Schafherde und einem hübschen Weib –, dachte er sehr wenig an das andere.
    Die vormalige Kammerjungfer meiner Mutter hatte ausgeplaudert, worin seine täglichen Gebete bestanden. Des Morgens beim Rekeln: »Lieber Gott, dein Diener erhebt sich. Schenke ihm ein gutes Tagewerk.« Und des Abends unter Gähnen: »Lie ber Gott, dein Diener legt sich nieder. Schenke ihm eine gute Nacht mit seinem Weibe.«
    Die Maligou und Barberine hörten sich alles an, sagten aber kein Wort, weil sie sich scheuten, vor den Männern zu sprechen. Ganz leise nur tuschelten sie über Pfarrer Feuerzange. (So ward er genannt, weil eines Tages ein Schelm aus Marcuays, der sich ins Pfarrhaus begeben und dieses leer gefunden, die Feuerzange vom Haken neben dem Kamin nahm und sie ins Bett der Haushälterin legte, um der gefälligen Gevatterin einen Possen zu spielen, der sich indes gegen den Pfarrer kehrte: er entrüstete sich noch wochenlang, sogar im Beichtstuhl, daß seine Feuerzange verschwunden sei, als hätte man sie ihm gestohlen.)
    »Du hast ganz recht«, sprach die Maligou, »einen größeren Geilbock gibt es weit und breit nicht. Während der Beichte in der Sakristei starrt er den jungen Dingern auf die Brüste und legt ihnen die Hand auf den Schenkel.«
    »Und ganz gewißlich«, fuhr Barberine fort, »gibt es im ganzen Lande keinen Sohn einer guten Mutter, der ein größerer Saufbruder wäre. Beim Begräbnis des armen Petremol, als Feuerzange am offenen Grabe gerade das Totengebet sprechen wollte, gewahrte er den Schmied Bellièvre. Sogleich unterbrach er sein Gebrabbel und sagte laut und deutlich: ›Bellièvre, du schuldest mir noch ein Faß Wein. Vergiß es nicht. Es geht um dein Seelenheil.‹ Wonach er in seinem Gebet fortfuhr, als sei nichts geschehen.«
    Als wieder Stille eingetreten war, hub Pastor Duroy an, mit großer Klarheit die vierzig Artikel des kalvinistischen Glaubensbekenntnisses, festgelegt auf der Synodalversammlung von 1559, kurzgefaßt darzutun. Er sprach in dem gelassenen Ton vollkommener Gewißheit und verstand sich meisterlich darauf, dem einfachen Volke und sogar den Kindern die vertracktesten Dinge nahezubringen. Bis auf den heutigen Tag ist mir im Gedächtnis geblieben, wie er seinen Zuhörern die Auffassung der Hugenotten zum Abendmahl darlegte.
    »Die katholischen Priester«, sprach er gemessenen Tones, in dem indes Empörung mitschwang, »behaupten, Leib und Blut des Erlösers seien tatsächlich und wahrhaftig gegenwärtig im Brot und Wein des Abendmahles. Doch solches ist unmöglich, und aus dieser Ursache ist ihre Behauptung nur Lug und Trug. Es ist vielmehr so, daß Leib und Blut des Erlösers die Seele nähren wie Wein und Brot den Leib. Jegliche andere Ausdeutung ist gleisnerisches Blendwerk und Betrug. Denn wie könnte Jesus Christus zugleich im Himmel wie auch im Bauche derjenigen sein, die das Abendmahl einnehmen? In Wirklichkeit ist der Leib unseres Herrn so weit entfernt vom Brot und vom Wein wie der höchste Himmel von der Erde.«
    Worauf mein Vater hinzufügte:
    »Wenn Christus sagt: ›Esset, dies ist mein Leib‹ und ›Trin ket , dies ist mein Blut‹, muß man es als ein Gleichnis auffassen und darf es nicht wörtlich nehmen wie die Papisten.«
    Diese Deutung, welche einem jeden katholischen Geistlichen als unerhörte Gotteslästerung erschienen wäre, leuchtete den Anwesenden durchaus ein und wurde als eine Bekundung des gesunden Menschenverstandes hingenommen. Unsere Leute machten ebensowenig Schwierigkeiten, als Pastor Duroy das priesterliche Zölibat geißelte. (»Alles nur

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