Fortune de France: Roman (German Edition)
Beichtiger dazu bewegt werden könnte, Mespech an seine Feinde zu verraten.
Mein Vater sagte zwar nicht offen, daß er jeden davonjagen würde, der sich nicht der reformierten Religion anschlösse, doch war dies ganz eindeutig die Quintessenz seiner Rede, und an der Überraschtheit und dem Schrecken unserer Leute war deutlich zu ersehen, daß sie dies sehr wohl verstanden hatten.
Wenn ich heutigentags daran zurückdenke, verspüre ich ein gewisses Unbehagen, denn der Baron de Siorac tat auf Mespech, was er Heinrich II. vorgeworfen hatte, in seinem Königreich zu tun: er forderte von seinen Untertanen, derselben Religion anzuhängen wie er selbst. Der Unterschied war nur, daß mein Vater sie nicht auf den Scheiterhaufen schicken konnte. Gleichwohl besaß er zumindest die Macht, sie brotlos zu machen und von seinen Ländereien zu verbannen, was keine geringe Strafe war, da ungezählte hungernde Gestalten auf der Suche nach einem Broterwerb über die Straßen der Provinz irrten. Daß es zu einer Zeit, da die katholische Kirche das Königreich tyrannisierte, überhaupt möglich war, von Glaubensfreiheit zu sprechen, war gewißlich ein bedeutender Fortschritt in unserem Jahrhundert, doch ward diese Freiheit von jenen, die sie forderten, in den meisten Fällen als ein alleiniges Vorrecht der Edelleute, höchstenfalls noch der reichen Stadtbürger, betrachtet. Sie galt nicht für das einfache Volk, welches noch ganz in die Bande feudaler Unfreiheit geschlagen war, und gerade diese kleinen Leute wußte die katholische Kirche mit ihrem Gepränge, ihren Prozessionen, dem Glanz und der Pracht ihrer Zeremonien sowie dem Spielraum, welchen sie dem Aberglauben einräumte, in ihrem Bann zu halten.
Nachdem mein Vater geäußert, was er im Sinn hatte, verstummte er und ließ sich auf seinen Platz nieder; doch unsere Leute wurden bei dem Gedanken, Mespech verlassen zu müssen wie die Schnecke ihr Haus und ohne Schutz, Obdach noch Brot auf der Straße zu liegen, von so großem Schrecken erfaßt, daß ihnen die Augen schier aus den Höhlen traten und ihre Zunge, trocken am Gaumen klebend, den Dienst versagte.
Einen nach dem anderen betrachtend, ermaß Sauveterre das Ausmaß ihres Entsetzens und nahm dies als gutes Vorzeichen;denn er liebte das Gesinde Mespechs genüglich, um zu wünschen, es möge ohne Ausnahme Rettung finden. Und hätte er einen davonjagen müssen, weil dieser nicht von der papistischen Götzendienerei lassen wollte, hätte es ihm das Herz beschwert – weniger des Hungers wegen, den der Betreffende erleiden müßte, als wegen der ewigen Verdammnis, die ihm nach dem Tode drohen könnte.
Alsdann sprach er mit ebensoviel Ruhe, als mein Vater mit Leidenschaft geredet:
»Pastor Duroy wird euch nunmehr in den Unterschieden zwischen der katholischen Religion und der unseren unterweisen.«
Raymond Duroy erhob sich nicht, als er zu sprechen anhub, und mit Ausnahme der schwarzen Augen und der Lippen blieb sein Angesicht völlig reglos und sein Körper so unbeweglich, als wäre er aus Stein. Nicht eine Geste tat er und hob nicht einmal die Hände von den Armlehnen seines Stuhles, um seine Worte zu unterstreichen. Hinter dieser äußerlichen Kühle spürte man indes ein heftiges Feuer lodern, insonderheit als er den Pfründewucher und die Habgier der katholischen Priester geißelte.
»Diese Priester«, so sprach er, »sind reich an weltlichen Gütern und arm an geistlichen. Sie leben beständig in Saus und Braus. Ihr geistliches Amt ist ganz beschmutzt und befleckt von ihrer Habgier. Sie taufen kein Kind ohne Zahlung klingender Münze. Sie vollziehen keine Trauung, ohne auch den Ärmsten noch einige Sols abzunehmen. Selbst aus dem Begräbnis der Dahingestorbenen ziehen sie ihren Gewinn. Kurz gesagt: aus der Verabreichung der Sakramente haben diese Pfaffen einen einträglichen Schacher gemacht. Und schlimmer noch: aus abscheulicher Geldgier machen sie auch die Vergebung der Sünden zu einem Geschäft! Sie verkaufen Ablaßbriefe! Angesichts einer solchen zum Himmel stinkenden Sittenverderbnis ist es auch nicht verwunderlich, daß der Klerus die Güter, welche ihm von der Obrigkeit oder von Privatleuten zur Unterstützung der Armen und zur Unterrichtung des Volkes überantwortet werden, zu seinem eigenen Nutzen veruntreut.«
Hier hielt Duroy in seiner Rede inne, und mein Vater forderte mit einer Handbewegung unsere Leute zum Sprechen auf, was diese auch beifällig taten.
»Ja, knauserig sind sie«, murmelte Faujanet, sich
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