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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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erweiche?«
    Hierauf trat Stille ein, und meinem Vater kam wohl zum Bewußtsein, daß er Barberine unterschätzt hatte, denn in seinen Zügen spiegelte sich eine gewisse Verlegenheit, welche er unter einem dünnen Lächeln verbarg. Doch Pastor Duroy, dem nichts entging, eilte ihm schon zu Hilfe.
    »Dies mag sehr wohl«, so sprach er, »auf die irdischen Angelegenheiten zutreffen. Doch hier handelt es sich um Gott und nicht um einen beliebigen Sohn, sondern um Jesus Christus, unseren Erlöser. Wenn also Christus unser Erlöser ist und nicht seine Mutter Maria, dann muß man folglich zu ihm um Fürbitte beim Vater beten und nicht zu ihr. Maria hat Christus zur Welt gebracht, so wie Barberine ihre Milch gibt: dies ist ein Akt der Natur, kein Akt der Schöpfung. Der Schöpfer ist der Vater. Und der Erlöser ist der Sohn. Betet also zum Vater und zum Sohn und noch zum Heiligen Geist, aber zu niemandem sonst, denn das wäre Götzendienerei und heidnischer Aberglaube.«
    Diese klaren Worte waren im Tone einer so ruhigen und vollständigen Gewißheit gesprochen worden, daß man hätte meinen können, Pastor Duroy habe es in seinem hohen Alter auf sich genommen, die himmlische Seligkeit erst einige Monate später zu kosten, um uns hienieden diese verkannten Wahrheiten ins Gedächtnis zu rufen. Doch so beeindruckt unsere Leute waren, sie gaben sich dennoch nicht geschlagen, nur verlagerte sich ihr Widerstand: sie gaben die Jungfrau Maria auf (welche schließlich nur ein Weib war) und verschanzten sich hinter den Heiligen, welche so zahlreich waren und einen so offensichtlich günstigen oder gegebenenfalls auch bösen Einfluß ausübten, daß man ihr vielfältiges Einwirken auf das Leben der Menschen schlechterdings nicht leugnen konnte.
    Aber auch hier vermochten die Männer sich nicht zum Sprechen zu entschließen und schauten auf Barberine, als wollten sie sich wieder hinter ihrem weiten, grünen, mit roten Bändern besetzten Rock verbergen. Allein die Amme schüttelte den Kopf und war nicht willens, den Mund gleich zweimal hintereinander zur Widerrede gegen die Herren aufzutun. Und so blieb den Männern nichts anderes als mit der Maligou fürliebzunehmen, obgleich sie keinesfalls die beste Wortführerin war, die man finden konnte, denn ihre Rede hatte einen zu starken Beigeschmack von Aberglauben. Doch wenn kein Gaul zum Ackern da ist, begnügt man sich mit dem Esel, und unsere Eselin ließ sich nichtlange bitten. Gleich nach den ersten auffordernden Blicken sprang sie in die Bresche und begann ihren Sturmlauf.
    »Ist es mir verstattet zu reden, Moussu lou Baron?«
    »Aber gewiß, meine wackere Maligou«, sagte mein Vater belustigt, ohne dies allzu offen zu zeigen.
    »Oh, Moussu lou Baron!« rief die Maligou mit einem tiefen Seufzer und flackernden Augen, »ich müßte in Angst und Schrecken leben, wenn man auf Mespech nicht mehr zu den Heiligen betete, denn im Périgord, vor allem im Norden, gibt es welche, mit denen man es sich gar leicht verderben kann. Die Burg, ihre Bewohner, das Vieh, die Früchte auf dem Feld würden dann von vielerlei Übeln und Krankheiten heimgesucht!«
    »Was?« fragte mein Vater mit gespielter Überraschheit. »Habe ich recht gehört? Bin ich recht bei Sinnen? Die Heiligen des Périgord sollen uns Krankheiten schicken?«
    »Und sogar sehr schlimme, gnädiger Herr!« sprach die Maligou, das Gesicht zu einer fürchterlichen Grimasse verziehend. »Der heilige Siméon von Ligueux schickt die Fallsucht. Der heilige Eutrope macht die Leute schwach und siech. Der heilige Paul von Agonac bringt über die Kinder die Angstseuche. Der heilige Avit hat schon manchem die Glieder mit Gelenkreißen verkrümmt. Und der Heilige von Sarazac verkrüppelt die Füße der Kinder in der Wiege.«
    »Deine Heiligen sind ja wahre Ungeheuer, meine arme Maligou!« entgegnete mein Vater unter Lachen.
    »Keineswegs, Moussu lou Baron!« erwiderte die Maligou, »sie schicken diese Übel nur, wenn man sie erzürnt und nicht genug zu ihnen betet. Wenn Ihr ihnen vom Pfarrer einige Messen lesen laßt, sind sie uns gleich günstig gesinnt.«
    »Aber für diese Messen«, warf mein Vater ein, »muß doch dem Pfarrer gezahlt werden?«
    »Gewiß! Wer nichts gibt, bekommt auch nichts!« entgegnete die Maligou. »Und wenn das Wasser aus dem Brunnen eines Heiligen heilen soll, dann muß man einige Münzen hineinwerfen.«
    »Was für habgierige Heilige sind das doch!« sagte mein Vater lächelnd. »Was fangen sie in ihrem Paradies nur an

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