Fortune de France: Roman (German Edition)
Heuchelei«, sagte Jonas,»es ist ganz offenkundig, daß Feuerzange nicht so enthaltsam lebt wie ich in meiner Höhle!«) Und als Duroy von den Ordensgelübden sprach, warf Cabusse spöttisch ein: »Die Mönche saugen dem Volk das Blut aus wie die Läuse.« Als der Ablaßhandel an die Reihe kam, meinte Faujanet, daß »bei solcher Verrechnungsweise nur die Reichen Errettung finden«. Und durch die Ohrenbeichte, so Barberine, werde Feuerzange immer in alle Familiengeheimnisse eingeweiht.
Hingegen stieß Duroy auf große Ablehnung, als er die Marien- und Heiligenverehrung mißbilligte. Dabei führte er seinen Angriff mit Umsicht und Feinfühligkeit.
»Nach der Heiligen Schrift«, so sprach er, »ist Christus der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. Also darf man weder die Jungfrau Maria noch die Heiligen um Fürbitte beim Erlöser anflehen oder sie auf sonst eine Weise verehren. Wir achten die Heiligen als Glaubenshelden, doch beten wir sie nicht an. Gleichermaßen ehren wir Maria als die Mutter Jesu und lehnen es ab, sie anzubeten. Das Wort Gottes in Seiner Heiligen Schrift ist klar und eindeutig: einziger Fürsprecher vor Gott ist Christus. Und wer diese Regel mißachtet, macht sich der Götzendienerei schuldig. Der Marien- und Heiligenkult ist nichts als Mißverstand und satanisches Blendwerk.«
Unter unseren Leuten – Männern wie Frauen – herrschte große Bestürzung, und an ihrem bedrückten Schweigen, ihren ratlos blickenden Augen, ihren verkniffenen Lippen war zu ersehen, daß die Worte Duroys uralte, tief verwurzelte Überlieferungen erschütterten. Denn in Sarlat war kein Bürgerhaus, wo nicht in einer Nische ein Marienbildnis stand, an dem keiner vorbeiging, ohne das Kreuzeszeichen zu machen oder ein Ave Maria zu murmeln. Jedes größere Dorf hatte seinen Heiligen und einen ihm geweihten Brunnen und seine Wunder, die dieser Heilige vollbracht. Er ward zuweilen mit größerem Eifer verehrt als Jesus Christus, denn der Erlöser war fern wie der König in seinem Louvre, indes der Dorfheilige nahe war wie der gnädige Herr in seinem Schloß.
Als mein Vater, dem dies alles wohlbekannt war, die stumme Erregung sah, welche Duroys Worte hervorgerufen hatten, entschloß er sich, das Geschwür kurzerhand aufzustechen, und sagte leutselig, nicht etwa zornig:
»Sprecht nur, liebe Freunde. Sprecht frei und ohne Scheu. Keinem soll ein Nachteil daraus entstehen.«
Doch unsere lieben Freunde schwiegen, schreckten davor zurück, dem Pastor Duroy zu widersprechen, welcher mit seinem bleichen Angesicht, seinen hageren Zügen und seinem langen weißen Bart justament wie einer jener Heiligen auf den Kirchenfenstern aussah.
»Nur zu!« rief mein Vater, leicht ungeduldig, »keine Scheu! Sprecht nur, liebe Leute! Sagt, was ihr dazu vermeinet! Das ist mein Wille!«
Unsere Leute sahen sich gegenseitig an, und am Ende richteten sich alle Blicke auf Barberine, sie solcherart zum Sprechen auffordernd, so bedeutend schien allen ihre Stellung auf Mespech als Amme der Kinder des gnädigen Herrn – der anwesenden und der eines Tages noch kommenden. Nach einigem Zögern gab Barberine ihrem Herzen einen Stoß.
»Moussu lou Baron«, hub sie errötend an, »ist es mir verstattet, noch ehe die Männer ihre Meinung sagen, als erste zu sprechen?«
»Gewißlich ist es dir verstattet, meine liebe Barberine«, sagte mein Vater wohlwollend, da ihm ein Widerspruch von ihrer Seite nicht sehr gefährlich deuchte. »Du weißt, wie sehr wir alle hier dich mögen.«
»Dank sei Euch, Herr Baron«, erwiderte Barberine freudig erregt, denn sie verehrte meinen Vater sehr. »Ich bin freilich nur eine unwissende Frau und kann mich nicht vergleichen mit unseren beiden gnädigen Herren und dem Herrn Pastor Duroy und den Herren Siorac und unseren Soldaten, die weit in der Welt herumgekommen sind, und mit Jonas und Faujanet, welche so prächtig ihr Handwerk verstehen; und so ist es wohl eine rechte Kühnheit, wenn ich, die ich nichts anderes kann als meine Milch zu geben wie eine arme Kuh im Stall, in ihrer Gegenwart den Mund auftue. Doch was die Jungfrau Maria anbetrifft, welche ich mit Verlaub liebe und verehre, so vermeine ich folgendes: Wir beten zu Jesus, damit er Fürbitte einlege bei Gott dem Herrn. So ist es doch, Moussu lou Baron?«
»So ist es, Barberine.«
»Wenn man sich also«, fuhr Barberine fort, »an den Sohn wendet, damit er den Vater erweiche, warum darf man sich dann nicht an die Mutter wenden, damit sie den Sohn
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