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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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und starrt sie an, während der Staub sich legt und die Sonne langsam über ihre Bahn in den Westen schmilzt. Selbst wenn der Tag so gnadenlos endet, wie er begonnen hat, zeigt ihm die Karte zumindest nun nichts Neues mehr als ihre grellen, mystischen Farben.
    Zwanzig lange Minuten wartet er auf den Mann, zu dem ihn Vincent Hammond den ganzen weiten Weg nach Florida geschickt hat. Zwanzig Minuten auf einer Bank in der Lobby des Gerichtsgebäudes von Milligan. Schritte hallen auf dem Marmorboden, und ab und zu bedenken irgendwelche Leute beim Kommen und Gehen Deacon mit misstrauischen Blicken. Diese Männer und Frauen in ihren grauen Anzügen und Kostümen erinnern ihn daran, dass sie hierher gehören und er nicht. Deacon nickt immer und lächelt jedem von ihnen zu, die restliche Zeit verbringt er damit, einen goldgerahmten Abdruck der Bill of Rights an der Wand zu lesen. Damit ist er noch immer beschäftigt, als jemand seinen Namen ruft. Er sieht auf und blickt ins pausbäckige Gesicht eines Schwarzen mit grauem Schnurrbart und einer hässlichen gelben Krawatte, der schnellen Schritts auf ihn zukommt.
    «Mr. Silvey?»
    «Richtig.» Deacon steht auf, streckt die Hand aus, und der Mann ergreift sie.
    «Ich bin Detective Toomey. Ehrlich gesagt entsprechen Sie nicht ganz meinen Erwartungen», sagt der Mann und zieht nervös an seiner Krawatte. «Nach dem, was Lieutenant Hammond erzählt hat, habe ich mit jemand deutlich Jüngerem gerechnet.»
    Deacon zuckt die Schultern und weiß nicht, was er dazu sagen soll oder besser nicht sagen soll. Dann reibt Detective Toomey sich die Augenbrauen, als hätte er Kopfweh, die Augenbrauen sind ebenso grau wie sein Schnurrbart. «Na ja, aber das ist auch egal. Warum gehen wir nicht zusammen raus?» Er steuert den Ausgang des Gerichtsgebäudes an.
    «Gern», sagt Deacon, «klingt gut.» Er folgt dem Polizisten in die Nachmittagssonne. Nicht weit entfernt von den Stufen vor dem Haus steht noch eine Bank, auf der die beiden sich hinsetzen.
    «Ich wette, es wird oben in Birmingham nicht so verdammt heiß», sagt der Detective, und Deacon sieht hinauf in die Sonne, die jetzt viel tiefer zu hängen scheint als am Morgen bei seinem Aufbruch. Ein bösartiges weißes Ding, gefährlich dicht über dem Boden.
    «Nein, Sir, eher selten.»
    «Wenn ich pensioniert bin, packe ich meine Sachen und ziehe nach Kanada, und bevor ich nicht irgendwo bin, wo der Schnee so tief liegt, dass man einen Bulldozer braucht, um von der Tür bis zum Briefkasten zu kommen, halt ich nicht an.» Toomey wischt sich mit einen weißen Taschentuch aus seiner Hose das Gesicht ab.
    «Dagegen hätte ich auch nichts», sagt Deacon, der ungeduldig wartet, dass sie mit dem Geplänkel endlich durch sind und zum eigentlichen Thema kommen. Smalltalk war noch nie seine starke Seite und Smalltalk mit den Cops schon gar nicht.
    «Schnee und Eiszapfen so lang wie mein Arm.» Der Detective stopft das schweißbefleckte Taschentuch zurück in die Hose. «Gut, Mr. Silvey, was kann ich also für Sie tun?»
    «Hammond sagte, ich könnte von Ihnen etwas über ein Mädchen namens Dancy Flammarion erfahren.»
    Toomey reibt sich noch einmal die Augenbrauen, dreht sich weg von Deacon und betrachtet die Bronzestatue eines Indianers, die auf einem Granitsockel beim Gericht steht.
    «Genau, das Albinomädchen. In fünfzehn Jahren bei der Polizei erlebt man allen möglichen Scheiß, selbst hier unten in der Provinz, Mr. Silvey. Aber Scheiß ist eine Sache, absolut gestörter Scheiß hingegen etwas ganz anderes, und dann gibt es noch Sachen wie Miss Flammarion. Gütiger Himmel.»
    Deacon wartet still, während der Detective schweigend den Bronzeindianer anstarrt, dessen Bronzeschultern mit Grünspan und Taubendreck überzogen sind. Nach einem Moment wendet der Mann sich ihm wieder zu und lächelt ein müdes, ängstliches Lächeln wie jemand, der etwas zu verbergen hat, jemand mit Geheimnissen.
    «Den Fall hatte ich übernommen. Er gehört zu denen, über die ich lieber nicht lange nachdenke, wenn ich ehrlich bin. Ich war damals dabei, als Officer Weaver das Mädchen aus den Sümpfen herbrachte. Allein der Weg mit ihr von Eleanore Road hierher reichte, um den armen Mann in den Wahnsinn zu treiben. Eine Zeitlang danach dachte ich schon, er würde seinen Job bei der Polizei an den Nagel hängen. Bis heute redet er kaum darüber, was damals passiert ist.»
    «Eleanore Road?», fragt Deacon. Toomey nickt und zeigt in Richtung Norden am Gericht

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