Fossil
Überresten auch nicht ansehen konnte. Als ich die Nachricht von Morrison übers Funkgerät bekam, dachte ich zuerst, die Waldbrände hätten wohl auch die Hütte erwischt und dass die Frauen nicht mehr rechtzeitig fliehen konnten.»
«Aber so war es nicht», sagt Deacon, und es soll gar nicht nach Gewissheit klingen, eigentlich will er nur nachfragen. Der Detective bedenkt ihn wieder mit einem langen misstrauischen Blick.
«Sind Sie sicher, dass Sie mich überhaupt brauchen, um Ihnen zu erzählen, was damals geschehen ist, Mr. Silvey?»
«Tut mir leid», sagt Deacon. Der Detective nickt und schiebt mit der Zunge das Pfefferminz im Mund hin und her.
«Das Feuer kam nie bis an die Hütte der Flammarions heran. Am Waldrand entdeckten wir zwölf leere Benzinkanister, und in der Asche fanden sich die Rückstände des Zeugs, oh, und auf den Händen und Klamotten des Mädchens natürlich auch. Also wussten wir dann ziemlich genau, was den Brand verursacht hat, wenn wir auch die Hintergründe nicht kannten. Als Dancy später in Tallahassee im Krankenhaus eingesperrt war und wieder den Mund aufmachte, hat sie alles abgestritten. Sie behauptete, der Blitz hätte eingeschlagen und dann wäre alles in Flammen aufgegangen.»
«Also hat sie die beiden umgebracht?»
«Das habe ich nicht damit gesagt.»
«Aber Sie sind zumindest der Meinung, dass sie das Feuer gelegt hat.» Deacon läuft ein dicker Schweißtropfen von der Stirn und ins linke Auge.
«Das eine muss nicht zwingend auch das andere bedeuten. Klar, zunächst dachte ich das natürlich auch, bis der Gerichtsmediziner die Leichen untersuchte. Es stellte sich heraus, dass sie beide schon vor dem Brand tot waren. Die alte Frau… na ja, irgendein Tier muss sie angefallen haben. Einen ihrer Arme haben wir bis heute nicht gefunden. Etwas da draußen im Sumpf hat versucht, sie zu zerreißen. Der Pathologe meinte, vielleicht sei es ein Panther gewesen. Hier laufen noch ein paar herum, also war es möglicherweise wirklich nur so eine Katze.
Und Julia, Dancys Mutter, Mr. Silvey, die war ertrunken, wahrscheinlich zwei oder drei Tage bevor die Hütte niederbrannte. Die Geschichte hätte ich bestimmt im Leben nicht geglaubt, wenn ich nicht selbst dabei gewesen wäre, als man sie aufschnitt und das Wasser in ihren Lungen fand. An einer bestimmten Stelle wird der Wampee Creek breiter, da läuft er in einen Karsttrichter, gar nicht weit entfernt von der Hütte. Dort ist sie wahrscheinlich gestorben.»
Der Detective macht eine Pause und spuckt den Pfefferminzbonbon aus. «Verdammt, ich hasse diese Dinger, aber ich versuche gerade, mir das Rauchen abzugewöhnen.»
«Demnach hätte Dancy die Leichen lediglich verbrannt – wie bei einer Feuerbestattung.»
Der Detective dreht den Kopf und schaut Deacon finster an. «Hör mal, mein Junge, ich werde dir jetzt ein paar Sachen erzählen, aber sollte dich jemals jemand danach fragen, von mir weißt du nichts von dem Scheiß und auch von niemandem, den ich kenne, verstanden? Ich mache das hier sowieso nur, weil irgendwer aus dem Department irgendwem in Atlanta einen Gefallen schuldet. Wenn auch nur eine Silbe bei der Presse landet oder im Netz…»
«Keine Sorge», sagt Deacon, reibt sich die vom Schweiß brennenden Augen und blinzelt dann. «Das hier ist für mich eine rein private Unterhaltung. Ich versuche, ein paar Freunden zu helfen, mehr nicht. Ein paar Menschen, die Dancy nähergekommen sind, als ihnen guttut.»
«Egal, merk dir nur, was ich eben gesagt habe.» Der Detective schaut wieder hinüber zur bronzenen Indianerstatue, dann holt er das Pfefferminz aus der Tasche und runzelt die Stirn. «Verdammt, dafür brauche ich eine Kippe», sagt er, und Deacon hört schweigend zu, während er von all den anderen Dingen erzählt, die sie in der Asche gefunden haben, von dem dritten Körper und den Spuren im Sumpf, all die Gruselgeschichten, mit denen die Leute hier ihre Kinder davon abhalten wollen, sich in die Nähe der alten Hütte der Flammarions zu wagen.
Erst Richtung Norden, dann hinter Milligan weiter Richtung Westen, wo sich der Blackwater River durch die Zypressensümpfe und Kiefern schlängelt wie eine Wassermokassinotter. Seit Deacon in die Eleanore Road eingebogen ist, ist ihm kein anderes Auto mehr begegnet. Hier draußen gibt es mehr Schlaglöcher als Asphalt, und an manchen Stellen dürften kaum mehr als ein paar achtlos ausgeworfene Schaufeln Kies den Wagen vom sandigen Untergrund trennen. Der Chevy
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