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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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Na ja, Andalusia soll mir reichen», sagt der Mann und lässt endlich Deacons Hand los. Er öffnet die Wagentür, und noch mehr Staub kommt herein. Deacon hustet trocken in die eigene Hand, greift nach der halbleeren Gatorade-Flasche, die geschützt vor der Sonne unterm Fahrersitz liegt. Der Mann wirft den Rucksack auf den Rücksitz, legt das Pappschild obendrauf, steigt ein und wirft die Tür so heftig zu, dass das ganze Auto wackelt.
    «Haben Sie Verwandte in Florida?», fragt der Anhalter. «Oder wollen Sie da aus geschäftlichen Gründen hin?»
    «Geschäfte», sagt Deacon, schraubt den Verschluss der Gatorade-Flasche auf und nimmt einen langen Schluck, mit dem er den Staub und Dreck in seiner Kehle herunterspült. Dabei stellt er sich vor, es wäre ein eiskaltes Bier. Der Mann redet ununterbrochen weiter, während er die zunehmende Staubschicht auf der Motorhaube betrachtet oder was auch immer er da sonst auf dem Highway sieht.
    «Florida ist ganz schön, abgesehen von den Touristen, den beschissenen fettarschigen Yankees, die wegwollen aus dem Schnee oben bei ihnen.»
    «Finden Sie?», fragt Deacon, wischt sich mit dem Handrücken über den Mund und überlegt kurz, ob er die Flasche nicht austrinken soll, es ist sowieso höchstens noch ein Fingerbreit drin.
    «Doch, doch, aber Hochseefischen ist da immer noch okay, Yankees hin oder her.»
    Deacon wischt sich noch einmal über den Mund und beschließt, die synthetische Plörre doch noch nicht auszutrinken. Er sieht förmlich vor sich, wie Sodas Auto liegenbleibt, bevor er am nächsten Laden vorbeigekommen ist, und er mag gar nicht daran denken, dass er dann in dieser Hitze ohne jede Flüssigkeit dastünde. Also macht er die Flasche wieder zu und legt sie zurück unter den Sitz. Das Getriebe quietscht hässlich, als er den Hebel auf «Fahren» stellt, aber Deacon tut, als hätte er nichts gehört; er gewöhnt sich langsam an das Beschwerderepertoire des Wagens und fährt zurück auf den Highway.
    «Wo kommen Sie denn her?», fragt der Anhalter, und Deacon zeigt aus dem Fenster Richtung Norden. «Birmingham», sagt er. «Da wohne ich.»
    «Ich bin schon an übleren Orten gewesen», sagt der Mann und zieht ein Kartendeck aus der Hemdtasche. Deacon macht das Radio aus und hat den Knopf des Dings in der Hand. Er flucht und wirft ihn aus dem Fenster.
    «Nicht gerade ein Rolls-Royce, was?», fragt der Mann, lacht leise und teilt die Karten in zwei Stapel, die er dann mischt. «Aber nun hör sich das einer an, als ob ich gewohnt wäre, mich in einer Goldkarosse herumkutschieren zu lassen.»
    «Der Wagen gehört mir nicht, ich habe ihn mir von einem Freund geliehen.»
    «Hier in der Kiste ist es auf jeden Fall besser, als da draußen einen beschissenen Hitzschlag zu kriegen. Auch wenn sie keine Klimaanlage hat, viel angenehmer.»
    «Oh, die gibt es schon», sagt Deacon, «aber da kommt nur heiße Luft raus.» Der Mann lacht wieder und mischt weiter, dann dreht er die obere Karte um.
    «Sieh einmal an», sagt er und pfeift durch die Zähne. «So hatte ich mir das nicht unbedingt vorgestellt.»
    Deacon schaut von der Straße auf die Karten. Es sind keine gewöhnlichen Spielkarten. Der Mann hält ein abgestoßenes, verknicktes Tarot in der Hand, die oberste Karte hat er zwischen Zeigefinger und Daumen geklemmt. Der Turm. Auf einer Felsenspitze wird ein Turm vom Blitz getroffen. Feuer schlägt aus seinen Fenstern, und zwei Menschen stürzen daraus herab auf die Erde. «Sehen Sie?», fragt der Fremde und tippt auf die Karte.
    «Was denn?»
    Der Mann tippt wieder auf die Karte.
    «Diese Lichttropfen, die aus den Wolken fallen? Die Juden nennen sie ‹Jods›. Sie tränken die tote Materie mit der Lebensenergie. Das Licht fällt vom Himmel wie Regen.»
    «Ich habe noch nie einen Anhalter mitgenommen, der Tarotkarten legt», sagt Deacon. Der Mann lächelt erneut, zeigt seine gelbbraunen Zähne und legt den Turm zurück aufs restliche Deck.
    «Ich trage dieses alte Tarot nun schon seit dem Krieg mit mir herum. Früher hatte ich auch ein Buch dazu, um die Karten zu deuten, das habe ich irgendwann verloren. Aber ich weiß das meiste davon auswendig.»
    «Welchen Krieg meinen Sie?», fragt Deacon, doch der Mann zuckt mit den knochigen Schultern und schüttelt den Kopf.
    «Glauben Sie, die würden sich groß voneinander unterscheiden? Die Leute haben sich schon immer gegenseitig umgebracht, seit sie herausgefunden haben, wie das geht. Der Rest sind nur unwichtige Details. Namen,

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