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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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er. «Sie hatte Angst vor dir.»
    «Das war nie meine Absicht.»
    «Ja, mag sein. Das macht jetzt wirklich keinen verdammten Unterschied mehr.» Deacon schließt die Augen.
    Chance schaut auf den Radiowecker neben dem Bett, die roten digitalen Zahlen darauf erinnern sie daran, wie viel vom Morgen bereits verstrichen ist, wie viel Zeit sie verloren haben. Wir können nicht länger bleiben, würde sie am liebsten sagen. Es ist nicht sicher hier. Aber das klingt so sehr nach Dancy, dass es ihr Angst macht. Und sie ist ein wenig überrascht, weil sie sich immer noch fürchten kann, nach allem, was sie gesehen und getan hat. Der ganze Scheiß, den sie nie mehr aus dem Kopf kriegen wird, ganz gleich, was noch geschieht.
    «Deacon, du hast versprochen, dass du mir helfen wirst, falls wir zuerst hierher fahren.» Er nimmt sich noch einmal die kaputte Diskette, hält sie sich dicht vors Gesicht und versucht, Sadies Handschrift zu entziffern, die violetten geschwungenen Linien auf der zerquetschten Diskette.
    «Ja», sagt er. «Das habe ich wohl.»
    «Ich kann dich nicht dazu zwingen, dein Versprechen einzulösen, wenn du einfach nicht mehr weiterkannst.» Sie unterbricht sich, und jetzt schaut er sie an, wirkt, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. «Vielleicht ist es meine Bestimmung, die Sache allein zu regeln. Möglicherweise soll es so sein.»
    «Keine Chance», sagt er und lächelt fast wegen des unabsichtlichen Wortspiels, es zuckt kurz um seine Mundwinkel. Dann schaut er weg, legt die Diskette vorsichtig auf den Computer zurück und dreht das Gesicht weg zum Schlafzimmerfenster. «Du bist das Einzige, was mir noch geblieben ist, ob es dir nun passt oder nicht.»
    Chance setzt sich neben ihn auf den Fußboden, und für beinahe eine volle Minute sagt keiner von beiden mehr etwas, nur der plappernde Fernseher der alten Frau ist durch die Wände zu hören.
    «Was also jetzt, Boss?», fragt er, und sie nimmt seine rechte Hand in ihre linke und hält sie fest. Hält sie, wie sie es früher getan hat, als sie ihn liebte und die einzigen Ungeheuer in ihrer Welt auf dem Grund leerer Schnapsflaschen lebten.
    «Ich brauche ein paar Sachen aus dem Labor, falls ich noch reinkomme. Und dann fahren wir zum Tunnel.»
    «Zum Tunnel», sagt er, und man hört, dass er das immer wusste, dass es die einzig mögliche Antwort auf seine Frage ist. Chance muss ihn nicht ansehen, um zu wissen, dass er weint.
    «Und was genau tun wir, wenn wir erst einmal da sind?»
    «Wir sprengen den Wichser in die Luft», sagt sie, und Deacon lacht.
    «Und was wäre damit erreicht?»
    «Das werden wir dann wohl herausfinden», flüstert Chance. Die beiden sitzen noch eine Weile so nebeneinander auf dem Boden und lauschen dem Verkehr.
    Der Vormittag ist fast zu Ende, als Chance und Deacon auf dem Berg beim Tunnel ankommen. Die Sonne brennt auf sie herunter, als wüsste sie genau, was sie vorhaben, und wäre nicht damit einverstanden. Missbilligender Sonnenschein, der den kleinen Park hinter der 19. Straße grillt, aber ein paar tiefhängende, graublaue Wolken stehen auch am Himmel. Chance parkt im Schatten einer Magnolie und steigt aus dem Chevy, Deacon klettert ihr hinterher, muss über den Fahrersitz hinaus, weil seine Tür sich nicht öffnen lässt. Draußen schaut er hoch in die Sonne, zum Himmel, die vereinzelten Wolken sehen aus wie geprügelte missratene Schafe. Es könnte später noch regnen, ein Nachmittagsgewitter, Blitz und kübelweise Regen, was gar nicht schlecht wäre, denkt er. Im Gegenteil.
    Chance hat bereits den Kofferraum geöffnet und ist damit beschäftigt, alles herauszuholen und neben sich auf den weißen Zement des Bürgersteigs zu stellen. Ins Labor zu kommen machte gar keine Probleme, und es war auch niemand da, der blöde Fragen hätte stellen können. Chance’ Schlüssel passte immer noch, entgegen ihren Befürchtungen.
    «Die Hausmeister sind so verdammt langsam, dass die Schlösser bestimmt erst in einer Woche ausgewechselt werden», hat sie zu ihm gesagt. «Falls es Alice damit überhaupt ernst war.»
    Er machte sich gar nicht erst die Mühe zu fragen, was Alice denn eigentlich gesagt hatte, da interessierte ihn schon viel mehr, weshalb im Labor der Paläontologen zwei Kisten mit Dynamit herumlagen. Also erklärte sie es ihm schnell, während sie alle Sachen zusammensuchte, die sie auf ihrer geistigen Liste abgespeichert hatte. Die beiden Kisten waren von einem seismischen Studienprojekt vor einem Jahr übrig geblieben.

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