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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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«Funktioniert ungefähr so wie Sonar», sagte sie. «Nur dass wir halt durch solide Felsen schauen und nicht ins Wasser.»
    «Und du weißt, wie man mit dem Zeug umgeht?»
    Sie nickte. «Ich habe damit ein paar Dollar verdient im letzten Sommer, als ich für das Projekt gearbeitet habe. Da ist wirklich nichts dabei.» Damit drückte sie ihm einige elektronische Zündkapseln in die Hand. «Fast so einfach wie Starthilfe beim Auto.»
    Die letzte Fracht aus dem Auto ist ein leicht mitgenommener olivgrüner Army-Rucksack aus Segeltuch. Er ist mit ungefähr zwei Dutzend brauner Stangen Dynamit vollgestopft. Chance hängt ihn sich an einem Träger über die Schulter und schließt den Kofferraum.
    «Setz den auf, ernsthaft.» Sie reicht Deacon einen neon-orangen Schutzhelm. Er setzt ihn auf den Kopf und kommt sich wie ein Fünftklässler vor. Jetzt braucht er nur noch einen ebenso leuchtend orangen Wimpel und die passende Weste, und dann kann er die Autos anhalten, damit die kleineren Kinder über die Straße können.
    «Glaubst du tatsächlich, dass wir die Geschichte hier vielleicht noch überleben?», fragt er. Sie zuckt die Schultern, setzt ihren Schutzhelm auf und zieht den Kinngurt fest.
    «Alles pure Gewohnheit.» Stirnrunzelnd schaut sie zurück zur Straße. Schwer zu sagen, ob jemand sie beobachtet bei den ganzen Fenstern und Veranden. «Vergiss das Gewehr nicht», sagt sie noch. «Und steck dir ein paar von den Patronen in die Tasche.»
    Als Chance sich überzeugt hat, dass sie alles dabeihaben, die Waffen, die Eisensäge, die Taschenlampe, den Kupferdraht, die große Zwölf-Volt-Batterie und das Notizbuch, folgen sie dem gewundenen Pfad durch die Hornsträucher bis zum Wasserwerkstunnel. Der Faden, den Dancy an die Bäume gebunden hat, ist immer noch da, und Deacon wünschte, irgendjemand hätte ihn in der Zwischenzeit abgerissen.
    «Ich hätte nicht fahren dürfen», sagt er. Chance schaut ihn an, als hätte sie keine Ahnung, was er meint, dabei ist ihm vollkommen klar, dass sie es ganz genau weiß.
    «Ich hätte bei dir und Sadie bleiben müssen.»
    «Das hätte auch nicht viel geändert, denke ich», sagt sie. «Die hätten uns früher oder später auch dann erwischt.»
    «Aber Sadie wäre vielleicht noch am Leben, wenn ich hier gewesen wäre, wenn ich getan hätte, worum du mich gebeten hast.»
    Chance seufzt, ein eher müder denn aufgebrachter Laut. «Ja», sagt sie, «genau, und wenn ich vorher schon auf Dancy gehört hätte, wenn wir am Samstagnachmittag alle zusammengeblieben wären, wäre vielleicht alles ganz anders gekommen. Das Spielchen können wir noch den lieben langen Tag spielen, Deke. Nur ändert das überhaupt nichts.»
    «Nein, aber ich hätte mit dir reden sollen, als du mich darum gebeten hast. Das hätte ich, verdammt nochmal, schon vor langer Zeit tun müssen.»
    «Worüber hättest du sprechen sollen, Deacon?»
    «Darüber, was in der Nacht passiert ist, als wir in den Tunnel eingebrochen sind, du und ich und Elise.» Jetzt bleibt sie stehen und starrt ihn an, schiebt den schweren Rucksack von der einen auf die andere Schulter. Ihr Gesichtsausdruck ist wieder so undeutbar, etwas, das er nicht sehen will. Er dreht sich weg.
    «Nein, du hast recht, Chance. Das spielt jetzt wirklich keine Rolle mehr, ich wollte dir lediglich sagen, dass ich unrecht hatte und es mir leidtut. Du warst immer die Kluge.» Damit geht er weiter und schaut dabei auf seine schmutzigen Schuhe. Erst nach einem Moment hört er ihre Schritte hinter sich.
    Um die letzte Kurve, die der Pfad macht, an den letzten Hornsträuchern vorbei, und Chance flüstert etwas, ein kaum hörbarer Fluch oder eine Feststellung, ein Wort, das Deacon nicht genau hören kann, aber der Ton ihrer Stimme reicht, damit er aufschaut. Vor ihnen wartet das Blockhaus auf sie, und die geometrische Figur, die Chance ihm im Notizbuch gezeigt hat. Das Heptagon in einem Stern, schludrig in schwarzer Farbe auf die verwitterte Steinwand gemalt. Es ist genau um die Tunnelöffnung herum gezeichnet, die seine Mitte bildet.
    «Das muss Sadie gewesen sein.», sagt Chance.
    «Warum? Was wollte sie damit erreichen?» Er mustert die gebogenen, sich überschneidenden Linien, alle Seiten und Winkel der Figur, und schließlich das Gesamtbild, das sich aus ihnen zusammensetzt. Auf dem Boden darunter liegen verschiedene Sachen herum: ein Pinsel, eine umgekippte Dose mit schwarzer Farbe, eine Taschenlampe, eine Zange mit langen Klingen, eine zerdrückte Papiertüte.

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