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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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Anhalter.
    Das Ding bewegt sich über den Flur, stößt einen ausgedörrten Wüstenlaut aus, ein durstiges Geräusch aus einer Vogelscheuchenkehle, und jetzt kann Deacon erkennen, dass noch eine dieser Kreaturen direkt dahinter ist.
    Vielleicht sind sie überall im Haus, und er schaut zurück zum Anhalter, dem großen Mann mit dem langen geölten Haar und den höflich-wölfischen Umgangsformen.
    «Teufel oder Beelzebub, Mr. Silvey», sagt er. «Die alte Zwickmühle zwischen Skylla und Charybdis. Gehupft wie gesprungen. Jetzt sind Sie am Zug, es liegt ganz bei Ihnen und der kleinen Spielzeugpistole, die Sie da haben. Oder denken Sie lieber gar nicht erst so weit?»
    Deacon sieht hinüber zu den Kreaturen im Flur. Totgraues Fleisch hängt ihnen als Zunge trocken und hungrig über die Kiefer, und der Mann ist nun nur noch drei oder vier Schritte entfernt über ihm auf der Treppe.
    «Pfeif die Wichser zurück», sagt Deacon. «Und dann verpiss dich. Oder ich jag dir die nächste Kugel durch deine beschissen hässliche Visage.»
    Der Mann kommt noch etwas näher und bleibt dann stehen; er lächelt nicht mehr, etwas anderes spiegelt sich in seiner Miene, etwas so viel Schlimmeres; es ist das, was auf den exquisitesten, extremsten Trotz folgt, auf die ausgefeilteste Bösartigkeit. Seine schlitzschmalen Lippen gleichen einer Wunde, einer nie abheilenden und unheilbaren Verletzung des Fleisches, und Deacons Herz jagt, versucht, sich einen Weg aus der Brust zu kämpfen. Das Gesicht des Mannes stiehlt ihm den letzten fadenscheinig vorgegaukelten Mut.
    «Wie kommst du eigentlich auf diesen ganzen Scheiß, Deke? Weißt du, wie du klingst? Du klingst wie ein verdammter Niggerlude, wenn du so einen Dreck erzählst.»
    «Geh mir aus dem Weg», sagt Deacon und spricht jede Silbe so ruhig und langsam und unnachgiebig aus, wie er es nur zustande bringt, seine Stimme zittert trotzdem. Er zielt auf das linke Auge des Anhalters, aus dieser Entfernung kann er das Ziel auf keinen Fall mehr verfehlen, obwohl ihm die Hände so schrecklich zittern.
    Doch der Mann auf der Treppe zuckt nur die breiten Schultern. «Schachmatt», sagt er und öffnet die rechte Hand. Darauf liegen drei glänzende 38er-Patronen. Feine blonde Härchen auf der Handfläche und die drei Patronen, aber Deacon drückt trotzdem ab. Nicht mehr als ein stumpfes Klicken, als der Hammer auf die leere Kammer trifft.
    Die Augen des Anhalters leuchten so silbern wie neue Kugellager. Er lässt die Patronen aus seiner Hand rollen. Sie hüpfen die Treppe hinab und bleiben vor Deacons Füßen liegen.
    «Hübscher Trick, nicht wahr? Soll ich dir noch einen vorführen?»
    «Geh aus dem Weg, Deacon», sagt Chance. Deacon sieht sie oben an der Treppe stehen mit dem großen Gewehr im Arm, und dann dreht der Anhalter sich um und erkennt sie ebenfalls.
    «Sag den anderen schon Bescheid, dass ich komme», sagt sie zu dem großen Mann, und Deacon fällt auf die Knie, als der Schuss die Stille des Morgens zerreißt.
    Chance am Steuer des alten Chevy, sie rast und überfährt Stoppschilder, und Deacon daneben auf dem Beifahrersitz, eine volle Flasche Whiskey zwischen den Knien und ein feuchtes Tuch gegen die Stirn gepresst. Es läuft noch immer ein Rinnsal Blut aus der Wunde, wo das Schrot ihn an der Kopfhaut und am rechten Ohr gestreift hat. Sein Gesicht ist mit dem tintendunklen Blut des Anhalters verschmiert, die Kleidung ist davon durchtränkt, Blut in der Farbe von Ausziehtusche, das nach geronnener Milch und Ammoniak riecht.
    «Wenn du nicht langsamer fährst, bringst du uns noch um», sagt er und dreht mit einer Hand die Kappe von der Flasche, während Chance gerade die Stoßstange eines SUV nur um ein paar Zentimeter verfehlt. «Es ist vorbei, verdammt, okay? Jetzt müssen wir nur noch Sadie finden und…»
    «Sie ist tot», sagt Chance. «Sadie ist tot, Deke», und sie wendet den Blick nicht einmal von der Straße, ihr Gesichtsausdruck ist noch immer so verschlossen wie seit dem Moment, als er sie heute oben an der Treppe zum ersten Mal gesehen hat, diese angespannte emotionslose Miene. Er schaut weg von ihr und mustert den Plastikverschluss in seiner Hand.
    Der Chevy holpert heftig über eine Bremsschwelle, dann folgt eine illegale Abkürzung über den Parkplatz eines Lebensmittelladens. «Ich glaube, sie ist zum Tunnel gegangen, nachdem du weg warst», sagt Chance. «Im Notizbuch fehlt eine Seite, sie hat versucht hineinzukommen, denke ich.»
    Deacon hebt die Flasche langsam an die

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