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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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du so verdammt schwierige Wörter gelernt?» Sie wirft die Taschenbuchausgabe von Der Wüstenplanet nach ihm, ein dickes Buch, hat ein ganz hübsches Gewicht. Sie trifft ihn bei solchen Gelegenheiten nur äußerst selten. Deshalb liegt auf ihrer Seite des Betts ein durcheinandergewürfelter Haufen Taschenbücher, lauter Bücher, die Deacons Kopf um Zentimeter verfehlt haben.
    «Schon okay», sagt er dann, oder: «Wie du meinst», lächelt und nimmt einen Schluck aus seinem Senfglas mit Schnaps drin oder der Flasche mit dem auberginenfarbenen Wein oder auch gar nichts. «Bestimmt ist es so was wie dieser flache Lovecraftscheiß, den du immer liest. ‹Der schimmelnde große Zeh des Dagon›, oder ‹Der Flüsterer hinterm Wäschekorb›, irgendwie so was.» Und schon muss sie wieder ein Buch nach ihm werfen.
    «Du hast Lovecraft doch noch nie gelesen, Affenhirn.»
    Er rollt mit den Augen und flüstert etwas Herablassendes. «Da hast du noch ‹Sesamstraße› geguckt, Kindchen, ‹Flipper› und ‹Lassie›.» Ungefähr so geht es jedes Mal, nicht wortwörtlich, aber doch ungefähr. Es ist ein hübsches kleines Ritual der beiden, fast wie bei einem Ehepaar. Vielleicht lässt sie ihn die Geschichte tatsächlich irgendwann einmal lesen, sobald sie fertig ist. Wenn der letzte Satz geschrieben ist, die letzten schlammigen Gedanken aus ihrem Kopf auf dem Bildschirm leuchten, alles da ist und für sich selbst sprechen kann.
    Vielleicht beweist das dann ja, dass sie ihn liebt, es nicht nur um Sex geht oder ihre Schwäche für den ewigen Loser, um die Romantik eines Lebens in Armut an der Seite eines Alkoholikers von fraglicher geistiger Gesundheit und zweifelhafter Hygiene. Dass sie nicht mit ihm zusammen ist, weil sie beide vor langer Zeit einmal zusammen einen Geist gesehen haben, etwas in einem Kaufhaus, das ein Geist gewesen sein könnte. Oder weil sie beide Charlie Parker und Joy Division mögen. Mit dem Roman würde sie ihm einen Teil ihrer Seele zeigen, etwas von ihrem Geist, das sie noch niemals jemandem gezeigt hat, es nicht gewagt hat. Der wunde, sich windende Teil, auf den es die Schulpsychologen immer abgesehen hatten. Diese Teil-Psychologen haben versucht, sie in die Falle zu locken, damit sie ihn einfach herzeigte, den Teil, für den ihre Eltern sie hassten. Das Licht und Dunkel hinter ihren Augen, die weichen Stellen.
    Aber falls sie ihm erlaubte, das Buch zu lesen, müsste sie auch zugeben, wie viel darin von ihm handelt. Von den Puzzleteilen, die sie bis jetzt über ihn herausgefunden hat, was sie über Elise’ Selbstmord weiß und darüber, weshalb er niemals aufhören kann, Chance Matthews zu lieben. Es hätte bedeutet, ihren Groll ehrlich zuzugeben, ihm Dinge ins Gesicht zu sagen, für die sie niemals den Mut finden würde.
    Und dann gab es ja auch noch ihre eigenen Albträume, die Träume vom Berg, die geheimen Orte darunter, und vielleicht wäre das am schlimmsten von allem.
     
     
    «Es fängt an zu regnen», sagt Jerome, und Sadie sieht von Yeats auf. Der alte Mann zeigt zur hohen dunklen Decke des Buchladens. «Ich dachte, das interessiert dich vielleicht, weil ich noch nie gesehen habe, dass du einen Schirm dabeihast.»
    «Danke», sagt sie, in Gedanken noch immer ganz bei Yeats’ zyklischer Geschichtstheorie, dann legt sie die Kinokarte wieder als Lesezeichen ins Buch und versteckt es am alten Platz hinter dem Buch Mormon.
    «Ich habe einen Extraschirm, den kann ich dir leihen, falls du möchtest», sagt Jerome. Sadie schaut auf ihre Sanrio-Armbanduhr und überlegt, wieso sie nicht gemerkt hat, dass es schon so spät ist.
    «Gern», sagt sie. «Danke.»
    Sie folgt ihm hinter den Tresen und bezahlt die zwölf fünfzig plus Mehrwertsteuer. Er hat das Buch mit den Gespenstergeschichten inzwischen in eine zweite Tüte gepackt, eine Plastiktüte, damit es nicht nass wird. Dann reicht er Sadie den Schirm, und sie bedankt sich noch einmal. Der Riesenschirm hat die Farbe einer reifen Banane, von Bananeneis, aber immerhin bleibt Sadie so trocken. Die Tür fällt mit einem Glöckchenklingeln hinter ihr ins Schloss, sie bleibt davor noch einen Moment unter der zerlumpten Buchladenmarkise stehen, grün und weiß gestreiftes Leinen, sieht auf die gewitterrutschige Straße hinaus und hinauf zum Himmel, der so schwarz geworden ist wie Schlick und Asche. Der Regen macht unpassende Geräusche, wie Eier in der heißen Pfanne. Sadie spannt den Schirm auf und seufzt, als sie entdeckt, dass auf seine Unterseite ein

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