Fossil
gigantisches Smiley gedruckt ist, ein grinsendes, glückliches Strichgesicht, das die ganze Zeit anzüglich zu ihr herablächeln wird, während sie durch die Pfützen läuft.
«Schon klar, du mich auch», sagt sie dem Smiley mit einem Blick über die Schulter. Jerome beobachtet sie von seinem Stuhl hinter der Kasse; er nickt einmal, winkt, und sie winkt zurück, klemmt das doppelt eingewickelte Buch unter den Arm und überquert die 20. Straße.
Wieder daheim, in den unangenehm feuchten und nach Schimmel stinkenden Fluren von Quinlan Castle. Sadie bleibt auf den Betonstufen vor dem Eingang stehen, um den Regen aus Jeromes glücklichem gelbem Schirm zu schütteln, macht ihn auf und zu, auf und zu, das gibt jedes Mal einen wütenden Ton, als läge eine Riesenfledermaus oder eine Flugechse in ihren letzten Todesqualen. Tausend winzige Tropfen fallen wie Sprühregen auf die Stufen und den Bürgersteig. Der Sturm ist inzwischen fast abgezogen, nur noch ein kränklicher Nieselregen ist geblieben, von weit weg leises Donnergrollen, eine gedämpfte Kakophonie aus der Ferne, das Gewitter ist fertig mit Birmingham und zieht mit seiner Wut weiter.
Auf dem Weg nach oben begegnet sie Mrs. Schmidt, die auf demselben Flur gegenüber wohnt, die alte Mrs. Schmidt, die Stimmen hört, wenn sie vergisst, ihre Pillen zu schlucken, und der ein hässlicher kleiner Hund unbestimmbarer Rasse namens Klingel gehört. Einmal hat sie Sadie und Deke einen Teller mit Haferflockenkeksen rübergebracht, die leicht nach Fisch schmeckten. Sadie lächelt ihr zu, sagt Hallo, und die alte Frau lächelt zurück, ihr gebissloses Lächeln, gesunde rosa Gaumen, aber keine Zähne. Sie berührt Sadie leicht am Arm. «Ich habe ihr gesagt, sie soll wiederkommen, wenn Sie oder Deacon zu Hause sind.»
«Wem?», fragt Sadie und stöhnt innerlich, weil es bestimmt nur irgendetwas ist, was Mrs. Schmidt in der Mitte von General Hospital in den Kopf gekommen ist, irgendetwas Verrücktes, und Sadie fehlt heute die Geduld dafür.
«Dem Albinomädchen», antwortet Mrs. Schmidt, die zitternden Finger noch immer auf Sadies Unterarm, Altersflecken und Falten auf Haut wie zerknautschte Seide.
«Oh, ihre Augen waren so rot, ganz genau so wie bei einem weißen Osterhasen.»
«Ein Albinomädchen wollte uns besuchen?»
«Ja», sagt Mrs. Schmidt und beugt sich näher. Sie riecht nach Menthol und Veilchen. «Es saß vor eurer Tür und aß eine Tüte Weingummis, und als ich es fragte, was es da macht, sagte es: Warten. Einfach warten. Und ich habe ihm gesagt, es soll wiederkommen, wenn ihr da seid.»
«Haben Sie heute Morgen vergessen, Ihre Tabletten zu nehmen, Mrs. Schmidt?», fragt Sadie und versucht dabei, weder genervt noch von oben herab zu klingen. «Die grünen?» Verwirrtes Starren aus den zusammengekniffenen Augen der alten Frau, ein Blinzeln, und dann lächelt sie wieder. «Nein, meine Liebe», sagt sie. «Es war ganz anders als die Sorte Mädchen.»
«Ich wollte nur sichergehen, für alle Fälle, wissen Sie», sagt Sadie und weiß immer noch nicht richtig, ob sie Mrs. Schmidt glauben soll oder nicht. «Es ist nämlich schlecht für Sie, wenn Sie Ihre Medikamente vergessen.»
«Danke, Kind, es ist sehr nett, dass du dir meinetwegen Sorgen machst. Na ja, sie hat gesagt, sie wird euch schon antreffen.» Die Alte verabschiedet sich und watschelt unsicher zu den nebeneinander aufgereihten Briefkästen bei der Eingangstür. Sadie beobachtet sie dabei und ist sich jetzt ziemlich sicher, dass vor ihrer Tür kein Albino gesessen und Weingummis gegessen hat.
Sie nimmt zwei, drei Stufen auf einmal, ist außer Atem und hat Herzrasen, als sie oben ankommt. Der Schimmelgeruch ist hier oben noch schlimmer, weil sich der Vermieter weigert, ein verrottetes Stück vom Dach decken zu lassen, durch das es durchleckt. Der Putz ist an der Stelle wie weicher, geschmolzener Käse, zum Teil ist er sogar ganz abgefallen, und man kann die Latten dahinter erkennen, kann durch die mit der Zeit grau gewordenen Holzbretter direkt nach oben in das Dunkel des Bodens sehen. Daher der andauernde Gestank nach Schimmel, und wenn es lang genug regnet, sprießen rosaweiße Pilze aus dem Teppich unter dem Loch in der Decke. Die Pilze scheinen Deacon Angst zu machen, Sadie hat ihn allerdings nicht gefragt, weshalb. Aber er geht nie allein auf die Flurseite. Sie wühlt in ihrer Tasche nach dem Schlüssel, er hängt an einer langzahnigen Vampirfledermaus aus Gummi, zusammen mit Schlüsseln zu Wohnungen,
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