Fossil
und fokussiert sich allein auf das Buch, um den Streit mit Deacon für eine Weile zu vergessen.
Fast drei Monate ist es her, dass Sadie Jasper zum ersten Mal mit Deacon Silvey geschlafen hat. Danach lag sie mit ihm in seinem Bett, bewegungslos, und lauschte auf Deacons unregelmäßige Atemzüge, die verzweifelten Geräusche, die jemand macht, der einen Albtraum hat. Sie roch seinen Schweiß, beobachtete das ruhelose Flattern seiner Lider, wünschte, sie könnte auch sehen, was er sah, könnte die Bilder erkennen, die wild durch seinen Kopf galoppierten. Sie hielt ihn fest, weil er sie darum gebeten hatte, um nichts anderes als das – nimm mich in den Arm, Sadie, halt mich nur fest heute Nacht, okay? Irgendwann kurz vor Sonnenaufgang erwachte er plötzlich, setzte sich auf und rang nach Luft wie ein Junkie mit einer Spritze Adrenalin im Herzen, rang nach Luft wie ein Ertrinkender, der ins Leben zurückkehrt. Sadie war schlaftrunken, verwirrt und versuchte, wach zu werden. «Was ist denn los, Deke? Was hast du?» Aber er war schon aus dem Bett gesprungen und am anderen Ende des Zimmers, die Badezimmertür öffnete sich quietschend. «Deacon?» Keine Antwort, abgesehen vom Gurgeln des Wassers, das aus dem Hahn ins abgeplatzte Waschbecken lief. Es folgte ein Stakkatogeklicke auf dem Lichtschalter, und gleich darauf blendend weißes Licht, das in ihren Augen schmerzte, als ob jemand Alkohol hineinrieb.
Sie stolperte durchs Schlafzimmer, durch die sturen Schatten, ihre Augen versuchten, sich gegen das aus dem Badezimmer hereinfallende Licht zu wehren. Dabei stieß sie sich den Zeh an Deacons Kommode. Dann stand sie neben ihm. Sein Gesicht sah im Spiegel des Badezimmerschränkchens so blass aus, krankhaft blass, erschrocken blass, kaltes Wasser tropfte ihm vom Kinn, von der Nasenspitze, tropfte ihm aus den Haaren. Sie hatte keine Ahnung, was man zu so einem Gesicht sagen sollte, was es trösten könnte, und deshalb blieb sie lieber stumm. Schweigend stand sie neben ihm und wartete, während er sich in die eigenen verängstigten Augen sah, in seine grünen, wahnsinnig gewordenen Augen, er starrte mit der Intensität eines Verrückten. «Scheiße», flüsterte er. «Scheiße, Scheiße, Scheiße.» Als sie ihn am Arm berührte, zuckte er weg.
«Ich bin es, Deke.» Es war nicht klar, ob er sie verstand oder auch nur gehört hatte. Er drehte sich vom Spiegel weg und starrte die große eiserne Badewanne an, starrte hinein, also folgte Sadie seinem Blick, wollte sehen, was Deacon die allerletzten Blutstropfen aus dem Gesicht trieb, dem beinharten Deacon Silvey, der niemals etwas preisgab, das er nicht zeigen wollte. Er machte einen Laut ungefähr wie ein Kind, das sich verlaufen hat, sank neben der Badewanne auf die Knie und begann zu weinen.
«Ist es wegen Elise?», flüsterte sie, ein ängstliches, zaghaftes Flüstern. Als Antwort schlug er mit beiden Fäusten gegen die Badewanne, wütende Schläge, bei denen er sich eigentlich die Knochen hätte brechen müssen, die aber doch nur zu Blut und heftigen blauen Flecken führten.
«Lass mich in Ruhe, Sadie», knurrte er. «Lass mich sofort in Ruhe, verdammt.» Sie schüttelte abwehrend den Kopf, wollte seine geschundenen Hände nehmen und drehte der Badewanne den Rücken zu. Was immer er darin auch gesehen haben mochte, war nicht für sie bestimmt, wahrscheinlich für niemanden mehr auf dieser Welt. Seine Haut war so kalt, seine Hände die eines Toten. Sadie begann, sie zu reiben, um ihn zurück ins Leben zu bringen, wenn er sich auch schreiend und schimpfend dagegen wehrte, das war ihr gleich.
«Hast du geträumt, Deke? Von Elise? Oder…» Sie verstummte, weil sie wusste, wie gefährlich jedes Wort war, wie dünn das Eis unter ihnen beiden gerade wurde.
«War es ein Traum, oder ist sie hier?»
Sein Gesicht war für einen Moment der vollkommene Ausdruck kristalliner Verdammnis, ein loderndes Gesicht des Wahnsinns, als wäre er ein Heiliger, der die allerentsetzlichste Blasphemie miterleben musste, für die es keine Vergebung, sondern nur härteste Strafe geben konnte. Er bringt mich um, dachte sie. Was sollte auf diese Miene sonst folgen, dieser Wut Luft machen. Deacon schloss die Augen und drückte Sadies Hände, drückte sie so heftig, dass es wehtat, und schüttelte den Kopf, das Feuer erlosch so schnell wieder in seinem Blick, wie es aufgelodert war. Trotzdem wusste sie genau, dass es nicht einfach verflogen war, sondern dass er es irgendwie in sich
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