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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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Großeltern, einer Tante, der Geruch von Sonntagnachmittagen, der ihm zu deutlich macht, wie lange sein letzter Drink her ist. Jetzt liegt er hier mit Sadie und sehnt sich nach einem Glas Bourbon, Schnaps oder wenigstens einem verdammten Bier, ganz gleich was, alles besser als dieses staubige Gefühl im Mund.
    «Du meinst wohl, dass du nicht weißt, ob du willst», sagt Sadie, ohne auch nur zu versuchen, ihre Eifersucht zu verbergen. Das Misstrauen klingt scharf aus ihrer Stimme. Er macht sich nicht die Mühe, die Augen zu öffnen, und zuckt nur die Schultern.
    «Ja, auch das», sagt er.
    «Man darf jemanden nicht einfach einschlafen lassen, nachdem er sich so den Kopf angeschlagen hat», flüstert Sadie. «Sie könnte eine Gehirnerschütterung oder so etwas haben. Nachher fällt sie noch ins Koma.»
    «Das würde dir bestimmt das Herz brechen.» Bevor sie ihn kneifen oder ihm erklären kann, was für ein Idiot er ist, fügt Deacon hinzu: «Egal, sie hat sich den Kopf ja gar nicht angeschlagen, und bisher dürfte noch niemals jemand eine Gehirnerschütterung davon bekommen haben, dass er sich auf die Zunge gebissen hat.»
    Deacon öffnet die Augen. Der Riss an der Decke ist noch immer da, hat auf ihn gewartet und erinnert ihn beinahe an etwas, dessen er sich wahrscheinlich nicht erinnern will. «Mach das Licht aus, ich werde müde.» Eine Lüge, aber wenn es dunkel ist, muss er sich wenigstens nicht mehr die abplatzende Farbe ansehen.
    «Nein, ich will nicht. Das Haus jagt mir Angst ein. Es ist zu groß und leer und macht Geräusche.»
    «Es ist ein altes Haus», sagt er. «Alte Häuser machen Geräusche.» Er rollt sich auf die Seite, lehnt sich mit dem Rücken gegen die Wand und sieht Sadie an: Wie sie auf der weißen Chenille-Überdecke liegt und dabei nichts als ihre Unterhose anhat, ihre kleinen Nippel haben die Farbe einer Brandnarbe, und sie schaut auch hinauf zur Decke.
    «Was war das für ein Wort?», fragt sie erneut, als hätte sie das nicht schon zwei- oder dreimal getan.
    «Ich habe dir doch gesagt, ich weiß es nicht», sagt Deacon.
    «Wie du willst.» Sie rollt mit den Augen und kaut auf ihrer Unterlippe, beißt sich etwas von dem schwarzen Lippenstift weg und wahrscheinlich auch etwas Haut dazu.
    «Verdammt, Sadie, warum stehst du nicht auf, gehst über den Flur und fragst Dancy, was zum Teufel sie gesagt hat? Und frag sie auch gleich, was es bedeutet, wenn du schon dabei bist.»
    «Hab ich schon. Ich habe sie gefragt, als du mit Chance oben auf dem Boden warst.» Sie runzelt die Stirn und zeigt nach oben zur Decke auf den Riss in der Farbe. «Dancy meinte, sie hätte keine Ahnung, dass Chance aber Bescheid wüsste.»
    Einen Augenblick lang glaubt er tatsächlich, dass es ihr vielleicht für einen Abend wirklich reicht, genug unbeantwortete Fragen, genug mysteriöser Mist für Sadie, dass sie vielleicht jetzt wirklich die Lampe ausmacht und er etwas schlafen kann. Morgen früh bleibt noch viel Zeit, um darüber nachzudenken, was auf der Treppe passiert ist, über Chance und Dancy nachzudenken und Elise in jener Nacht im Tunnel. Viel Zeit, um Sadie zu erzählen, was er weiß und nicht weiß, später, wenn die Sonne scheint und der Himmel harmlos und blau und hoch ist. Doch Sadie dreht sich zu ihm um, und er muss erkennen, wie unrecht er hatte. Sie ist nicht im Mindesten müde und weit davon entfernt, schon aufzugeben. Diese Augen leuchten zu sehr, sind zu beseelt, zu gierig auf Geheimnisse. Sadie hat Angst vor den Geräuschen, die das Haus macht, und verzehrt sich trotzdem danach, etwas wirklich Entsetzliches herauszufinden.
    «Was geht hier vor, Deke?», fragt sie ihn, ohne einen Hauch von Sarkasmus in der Stimme, ihre gnadenlose Neugier löscht alles andere aus. «Und erzähl mir nicht wieder, du wüsstest es nicht, weil ich weiß, dass du etwas weißt. Ich habe deinen Gesichtsausdruck bemerkt, als du dieses Ding im Glas angefasst hast. Ich weiß, was dieser Blick von dir bedeutet.»
    «Du weißt nicht halb so viel, wie du gern vorgibst.» Er streicht ihr das strähnige schwarze Haar aus den Augen, eine kleine vertraute Geste, die sie vielleicht ablenkt, wenn er Glück hat. Aber das hat er nicht. Sie schiebt seine Hand beiseite und hält sie dann fest in ihren eigenen Händen, damit er das nicht noch einmal versuchen kann. Er kann also nur noch ihre Fragen beantworten oder sie zum Teufel jagen.
    «Zumindest tue ich nicht so, also hätte ich keine Ahnung davon, wie du den Bullen in Atlanta geholfen

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