Fossil
verschwand. Er überlegte noch, als der Typ ein glänzendes Zippofeuerzeug aus der Hemdtasche holte, den Deckel aufspringen ließ und den Daumen aufs Rad legte. «Gottverdammt», sagte Deke, laut genug, dass der Kerl ihn ansah und lange genug wartete, damit Deacon es um den Verkaufstresen herum schaffte.
«Versuch nicht, mich davon abzuhalten, Mann. Ich kann das nicht mehr tun, verdammt, ich kann es einfach nicht mehr.»
«Klar», sagte Deacon. «Alles okay, versteh ich, aber hör mal, lass uns darüber noch kurz reden, ja?» Vielleicht sagten die Leute so etwas im Fernsehen, vielleicht überzeugten Fernsehhelden Lebensmüde so davon, von der Fensterbank wieder herunterzuklettern, und Geiselnehmer, die Kinder freizulassen, aber der Glatzkopf lächelte nur, ein trauriges, erschöpftes Lächeln, dann ging er in Flammen auf wie Zunder. Es machte FUMP! wie im Comic bei einer Explosion, schon war der Laden voller öligem Rauch und dem Grillgeruch von brennender Menschenhaut, bevor Deke auch nur den schäbigen kleinen Feuerlöscher von der Wand gerissen und raushatte, welche Seite er auf den Irren richten musste. Die Flaschen auf den Regalen barsten bereits von der Hitze, es klang wie ein Platzstakkato von Whiskey und Rum, Benzin ins Feuer, Futter für die blauweißen Flammen, die durch den Laden auf Deacon zu züngelten, während der Mann mit rudernden Armen hin und her taumelte und schrie, schrie, wie schlimm die Schmerzen seien. Seine Stimme klang in dem Lärm kaum lauter als ein heiseres Flüstern.
Was zum Teufel hast du erwartet, Arschloch? In Deacons Kopf kreisten halb wahnsinnige, unwirkliche Gedanken. Er richtete den Feuerlöscher auf den Kerl und versuchte, nicht den Rauch einzuatmen, der in seinen Augen und Lungen brannte. Gegen das an den Wänden zur Decke emporkletternde Inferno vermochte er nichts mehr auszurichten, es war unmöglich, die Ausbreitung des Feuers auch nur zu verlangsamen, aber irgendwie schaffte er es, den Kerl abzulöschen. Dann schleifte Deacon ihn aus dem Laden, seine Hände versanken dabei tief in feuerabweisendem Schaum und klebrigweichen Sohlen geschmolzener Schuhe. Er schleifte ihn über zerbrochene Flaschen und unebenen Zement, schließlich noch über Asphalt; wenn der Typ danach auch nur noch einen Quadratzentimeter Haut am Rücken hatte, war es ein Wunder. Auf halbem Weg über den Parkplatz blieb Deacon stehen und hustete wegen des Rauchs, die Welt verschwamm vor seinen Augen. Der glatzköpfige Mann war schwarz wie ein verbrannter Marshmallow und schrie noch immer, dass er sterben wolle.
In diesem Augenblick explodierten die Scheiben des Schnapsladens, aus dem eine Wolke sengender, knisternder Hitze schnellte, die Deacon zu Boden warf. Seine Haut blieb noch mehrere Tage empfindlich und zartrosa, im Gesicht, auf den Armen und den Handrücken bildeten sich fette Blasen. Das geborstene Glas fiel wie ein lauter Regen gezackter Scherben um ihn herum auf den Teer. Bevor er endgültig bewusstlos wurde, drehte sich der Glatzkopf auf die Seite. Er war so verbrannt, dass er eigentlich längst hätte tot sein müssen, tot wie ein überfahrenes Tier auf dem Highway. Dann ergriff er Deacons Hand, drückte sie fest, und plötzlich verschwand der Brandgeruch. Stattdessen drang Deacon süßlich-verdorbener Gestank wie von Orangen und rohem Fisch in die Nase, Messer durchbohrten ihm die Schläfen, die Augen, und er sah die wie verrottende Baumstämme aufeinandergestapelten Leichen, sie lagen irgendwo, wo es kühl und dunkel war, dann gar nichts mehr.
Am nächsten Morgen lag Deacon noch ganz betäubt von den Schmerzmitteln und Albträumen in seinem Krankenhausbett im Grady Memorial und schaute Cartoons im Fernsehen, bis die beiden Detectives irgendwann auftauchten. Es waren Officer Vincent Hammond und noch ein Typ, dessen Namen Deacon beinahe sofort wieder entfiel. Hammond hingegen war niemand, den man so leicht vergaß. Er war ein großer, hohlwangiger Mann, der gut ein paar Pfund hätte verlieren dürfen, was er aber nie tun würde. Dazu Nikotinzähne und nachdenkliche, ruhelose Augen, die anscheinend unfähig waren, bei irgendeinem Anblick mehr als einige Sekunden zu verweilen. Zum Teufel mit dem ganzen Kram, den Deacons Vater ihm vor siebzehn Jahren erzählt hatte, die einschüchternden ernsten Warnungen, die Geheimniskrämerei und das Versteckspiel, er konnte unmöglich für sich behalten, was er gesehen hatte, als der Sterbende seine Hand genommen hatte. Sollten sie ihn doch für immer
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