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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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hast, und ich werde auch nicht so tun, als ob du nicht ahnst, weswegen Dancy so dringend mit Chance sprechen muss oder wie sie an den verdammten Finger gekommen ist. So dumm bin ich nicht, Deke.»
    Er denkt darüber nach, ob er seine Hand wegziehen und Sadie grob vom Bett stoßen soll. Bums, aufs kalte Hartholzparkett, soll sie doch so wütend werden, wie sie will, und sich einen anderen Schlafplatz suchen. Einen anderen Platz, an dem sie wach liegen kann bis zum Morgengrauen, ihren Lippenstift abknabbern und auf die erschütternden, schrecklichen Geständnisse warten, die er ihrer Meinung nach verheimlicht, sämtliche Wahrheiten, die er als Geiseln gefangen hält. Das wäre einfach zu schön, denkt er und gibt sich der winzigen Befriedigung dieser Vorstellung hin. Wenn er wenigstens ein schlechtes Gewissen dabei hätte, sich ein ganz klein wenig tief drinnen dafür schämen würde. Du bist ein Arschloch, Deke. Er hört Chance’ Stimme in seinem Kopf, Chance, die nur ihre Ruhe vor ihnen haben wollte, nur wollte, dass sie abhauten. Zu spät.
    Deacon öffnet Sadies Finger, die seine Hand gepackt halten. «Schlaf jetzt», sagt er. Es klingt nicht wütend, lässt aber auch keine weitere Debatte zu. Er dreht sich mit dem Gesicht zur Wand und all den Dingen zu, die ihn erwarten, sobald er die Augen schließt.
     
     
    Nachdem er vom College runter war – er hatte sein Studium in Emory auf halbem Weg zu einem Bachelor in Philosophie abgebrochen –, verschluckte Atlanta ihn mit Haut und Haaren, wie der Wal damals Jona, und am Ende war nur wenig von Deacon übrig, was man wieder hätte ausspucken können. Kant und Sartre und Kierkegaard im Tausch für Aushilfsjobs in Lebensmittelläden, Schnapsläden, ganz gleich was, wenn es nur genug abwarf, um die Miete zu zahlen und dauerbesoffen zu sein, wenn er das brauchte. Er vermochte kaum, sich auf der eigenen Umlaufbahn zu halten, sank in Spiralen tiefer und wäre zweifelsfrei demnächst in die Sonne gestürzt, wenn er nicht Vincent Hammond begegnet wäre, Detective der Polizei von Atlanta im Morddezernat.
    Es ist fast komisch, wie damals alles begann, jedenfalls solange man es aus der richtigen Perspektive betrachtet – oder eben aus der falschen, je nachdem. Zumindest wenn Deacon so tut, als wäre er noch viel gestörter, als er es ohnehin schon ist. In jenem Sommer des Jahres 1988 hatte er Nachtschicht in einem Schnapsladen in Edgewood, mitten im schmutzigen Herzen der City, die ganze Nacht lang ein leichtes Opfer für einen möglichen Ladenraub. Diese Überfälle passierten ungefähr mit derselben Regelmäßigkeit, mit der er wöchentlich seinen Lohn in Empfang nahm. Es war eine lange Parade von Revolvern und Gewehren, und dabei gab es nie mehr als 100 Dollar zu holen, nur sprach sich das entweder nicht herum, oder es war den Typen egal. Die Banden und Junkies machten da keinen Unterschied, wenn sie verzweifelt genug waren. Deke spielte dabei jedes Mal die gehorsame kooperative Ladenkraft, bei der ein Kunde, der ihr ein Gewehr vor die Nase hält, stets König ist. Manchmal erwischten die Bullen die Typen, manchmal nicht, und Deacon war es, ehrlich gesagt, eh scheißegal.
    Es geschah in einer schwülen Julinacht. Deacon las noch einmal seine reichlich abgenutzte Taschenbuchausgabe von Unten am Fluss, Fiver und Hazel, als ein glatzköpfiger Weißer hereinkam, der aussah, als wäre er schwer anabolikaabhängig, ein professioneller Wrestler vielleicht. Er kaufte nicht gleich was, tat, als würde er sich umsehen, drückte sich hinten im Laden herum und studierte eine halbe Stunde lang die Etiketten auf den Flaschen. Dabei sah er immer mal wieder nervös zum Eingang. Deacon dachte schon: Los jetzt, mach, bringen wir es hinter uns, bitte. Da schraubte der Kerl die Kappe von einer Halbliterflasche Bacardi 151 ab und kippte sich das Zeug über den Kopf. Deacon wusste, dass er am besten die Klappe gehalten und einfach weggesehen hätte, aber die ganze Geschichte wurde langsam zu sonderbar. «Hey!», rief er dem Kerl zu. «Was zum Teufel machst du da?»
    Noch eine Flasche Rum auf den Schädel des Mannes. «Das geht dich ‘n Scheiß an», stotterte der, wobei ihm der Bacardi in Mund und Nase drang. «Komm mir nur ja nicht in die Quere!» Eine weitere Flasche wurde geleert. Was immer das werden sollte, ein Überfall war es jedenfalls nicht, also war Deacon auch nicht sicher, ob er jetzt die Bullen rufen oder einfach abwarten sollte, bis der Fremde sich hinreichend begossen hatte und

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