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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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schnell vorgeprescht. Zeig es ihr, Dancy.»
    Da beugt Dancy sich vor, öffnet den Seesack und wühlt darin herum, gräbt sich durch den schmutzig aussehenden Wirrwarr von Hemden und Jeans; eine Socke, die vor langer Zeit einmal weiß gewesen sein mag, fällt heraus, und Chance tut so, als hätte sie es nicht bemerkt. Als Dancy sich wieder aufrichtet, hat sie einen Stapel vergilbter Zeitungsartikel in der Hand und ein kleines Glas, wie für Babynahrung, denkt Chance, Erbsenbrei oder Karotten, irgendetwas in der Art, allerdings fehlt das Etikett.
    «Das habe ich vom ersten Mal behalten. Meine Großmutter hat mir gesagt, ich soll es aufbewahren, damit ich es nicht vergesse.» Der Deckel des Glases macht ein lautes metallisches Plop, als sie ihn abschraubt. Dancy schüttelt das Glas einmal und reicht es dann Chance.
    «Flipp nicht gleich aus», sagt Sadie, und Deacon macht einen Laut, der kein Husten und auch kein Lachen ist, ein ängstlicher, müder Laut. Chance nimmt das Glas des Albinomädchens.
    «Sie hatte Angst, ich könnte es vergessen», sagt Dancy, und Chance starrt auf einen blutergussdunklen Finger, der wie eine fette, verrottete Made am Boden des Babygläschens aufgerollt liegt – kein ganzer Finger, nur der Teil ab dem zweiten Glied bis zum kurzen eingerissenen Nagel, der die ungesunde Farbe von entzündetem Gewebe hat, die Farbe von Eiter. Chance’ Magen hebt und senkt sich, gleich muss sie sich wieder übergeben, ganz gleich, ob eine Toilette in der Nähe ist oder nicht oder ob noch etwas in ihr ist, das sie erbrechen könnte. Sie gibt Dancy das Glas zurück, schluckt kräftig und würgt fast an dem säuerlich bitteren Gallegeschmack, der ihr heiß in den Mund steigt.
    «Sie haben alle Klauen», sagt Dancy. «Zumindest die, die ich bisher gesehen habe.»
    Chance sieht durch das Zimmer hinüber zu Deacon, sucht irgendeine Art von Erklärung in seinem Gesicht, etwas, um das Ganze zu verstehen, doch er mustert den Fußboden zwischen seinen Füßen, reibt die großen Hände aneinander und knirscht mit den Zähnen.
    «Bisher musste ich noch niemals jemanden um Hilfe bitten», sagt Dancy, und es klingt, als würde sie sich schämen, als würde sie damit gerade etwas viel Schlimmeres gestehen als das Herumtragen eines abgetrennten Menschenfingers in einem Seesack.
    «Ich will darüber kein Wort mehr hören», sagt Chance und steht auf, wischt sich die Hände an den Jeansbeinen ab, versucht die Erinnerung an das Ding im Glas fortzuwischen. Sadie streckt den Arm aus, um sie wieder aufs Sofa zu ziehen, aber Chance ist schon zu weit weg und geht schnell an Dancy vorbei. «Verlasst auf der Stelle das Haus.»
    «Noch nicht», sagt Deacon, und jetzt sieht er sie an, dreht langsam den Kopf, aber in seinen grünen Augen liegt keinerlei Erklärung. Nur dieselbe Traurigkeit wie an jenem Tag, als sie mit ihm Schluss gemacht hat. «Es tut mir leid, Chance», sagte er.
    «Hier», das Albinomädchen drückt Chance den Stapel brüchiger Zeitungsartikel in die Hand, einige lösen sich bereits an den Ecken auf, trockene, karamellfarbene Flocken fallen vor ihren Füßen zu Boden, uralte Zeitungsschnipsel und Crackerkrümel bedecken den Fußboden zwischen Chance und Dancy Flammarion.
    «Ich wollte dich um nichts bitten», flüstert Dancy und klingt noch immer, als schäme sie sich. «Ich wollte weder dich noch irgendjemand anders um Hilfe bitten. Das schwöre ich.»
    Chance späht hinunter auf die Überschriften der Artikel, die sie widerwillig in der Hand hält. «Wasserwerkstunnel feiert 80. Geburtstag» und «Wilfred Gillette McConnel, Vater des Wasserwerkstunnels, tot» – kühne große Wörter, fast ein halbes Jahrhundert alt. «Woher hast du die überhaupt?», fragt Chance, und Dancy schüttelt den Kopf.
    «Ich hätte sie nicht aus der Bibliothek mitnehmen dürfen, das weiß ich», sagt sie, spricht dabei so leise, dass Chance sie kaum hören kann. «So was ist Diebstahl, das ist mir bewusst. Aber es musste sein. Ich hatte kein Geld, und die wollten zehn Cent pro Kopie.»
    Fast ganz unten im Stapel sind zwei kurze Artikel, einer von ihnen ist nur mit einem Hauch von Gelb überzogen, der andere könnte neu sein, hätte direkt aus der Tageszeitung von heute ausgeschnitten sein können, aus den Todesanzeigen. Der Name auf der ersten ist der von Chance’ Großmutter, der Name auf der zweiten der von Elise Alden.
     
     
    «Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?», fragt Chance Deke. Der antwortet nicht, dreht sich

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