Fossil
größere Teile seines Motors fehlen, und überall liegt dicker Staub wie ein Tuch aus grauem Samt.
Dieser Raum ist der vollkommene Gegensatz zum aufgeräumten Arbeitszimmer. Dancy marschiert durch den ganzen Krempel und Kram, als wäre sie schon hundertmal hier drinnen gewesen. Chance folgt ihr bis zum Rasenmäher, also halb durch die Kammer, und bleibt neben einer Kiste mit der Aufschrift Monteagle, Tuscumbia und Bangor Lms. – Sommer 59 stehen. Deacon und Sadie warten gemeinsam an der Tür, als hätten sie Angst, die Schwelle zu übertreten.
«Wonach suchst du?», fragt Chance, aber Dancy gibt keine Antwort, sondern bleibt abrupt vor einem der hohen krummen Regale stehen, ein Aluminiumregal für Werkzeug, das beinahe doppelt so groß ist wie sie. Chance kann förmlich vor sich sehen, wie es umfällt und Dancy unter seiner Last aus Pappe und Steinen begräbt. Mit der Hand wischt Dancy den Staub von den Kisten, hält jeweils lange genug inne, um deren Beschriftung zu lesen, schaut kurz in die unbeschrifteten.
«Vorsichtig, Dancy, einige dieser Regale sind ganz schön wackelig.» Chance steigt über die Kiste aus dem Jahr 1959 und könnte Dancy nun fast berühren, wenn sie den Arm ausstreckt. Am liebsten würde Chance sie zurück in den Flur ziehen und die Tür zu diesem Raum abschließen. Es macht ihr Angst, welche Intensität sich auf Dancys Gesicht widerspiegelt. Ihre grimmige Entschlossenheit lässt vermuten, dass sie genau weiß, wonach sie sucht.
«Was will sie denn hier überhaupt, verdammt?», fragt Deacon, und Chance schüttelt den Kopf, den Blick auf Dancy geheftet, die sich auf die Zehenspitzen gereckt hat, um besser sehen zu können. Die Kiste scheint unbeschriftet, Chance kann jedenfalls nichts erkennen, es ist eine von den zahlreichen Munitionskisten, die Joe Matthews in einem Armyladen gekauft hat. Zugenagelt ist sie, das sieht Chance.
«Die», sagt Dancy, deutet auf die Kiste und klopft hart mit dem Finger dagegen. Das Regal wackelt bedenklich, neigt sich etwas mehr nach links, und Dancy klopft noch einmal, als hätte sie nichts bemerkt. «Ich muss mir ansehen, was in dieser Kiste drin ist, Chance.»
«Nur ein Haufen Steine», versichert ihr Chance aufgebracht und sieht Deacon hilfesuchend an, doch der ist schon dabei, über das Durcheinander der Kisten hinwegzuklettern. So bleibt Sadie allein an der Tür zurück. Gleich darauf hebt Deacon die Munitionskiste vom Regal, die sehnigfesten Muskeln an seinen Armen treten unter der Haut hervor, als er die Kiste vom wackeligen Regal hebt und sie vor Dancys Füßen auf den Boden stellt.
«Die ist zugenagelt», erklärt er überflüssigerweise, denn sie sehen alle, dass zwölf Nägel tief im strohgelben Kiefernholz des Deckels stecken. Oben auf der Kiste befindet sich ebenfalls keine Beschriftung. Chance bemüht sich, so zu tun, als würde ihr das keine Angst einflößen, als wäre das nur irgendeine Kiste, die ihr Großvater oder ihre Großmutter zufällig niemals ausgepackt hat. Nur irgendwelcher Schutt, den sie aus irgendeinem Steinbruch oder einer Mine angeschleppt haben. Und da fällt ihr Blick auf ein Stemmeisen, das einen halben Meter von Deacon und Dancy entfernt an der Wand lehnt.
«Damit sollte es doch gehen», sagt sie und zeigt es Deacon. Am besten, sie bringen diesen Nonsens jetzt hinter sich. Sobald Dancy feststellt, dass sich nichts in der Kiste befindet, nichts außer einem Haufen Steine, ist sie vielleicht endlich zufrieden, und Chance kann sie allesamt aus dem Haus komplimentieren, damit diese Geschichte ein Ende hat.
Die Nägel machen ein hässliches Geräusch, das weder ein Quietschen noch ein Kratzen ist, sondern eine Mischung aus beidem, während sie langsam unter Winden und Drehen aus dem Holz fahren. Die Spitze des Stemmeisens hat sich zwischen den Deckel und das obere Ende der Kiste gebohrt. Deacon bewegt es auf und nieder, vor und zurück, bis der Deckel ein letztes Mal quietschigknirschend protestiert und sich vollständig von der Kiste löst. Er hebt ihn hoch und betrachtet die Unterseite des mit Nägeln durchbohrten Holzes. Die Spitzen der Nägel sind noch immer so scharf wie an dem Tag, als man sie in die Kiste geschlagen hat, Nägel wie kalte Stahlzähne. Dancy kniet sich hin, kniet neben der offenen Kiste, wühlt sich durch Watte und Holzwolle, und Chance macht einen zögerlichen Schritt auf sie zu.
«Was nun? Was ist da drin?», fragt Sadie von der Tür, aber niemand antwortet ihr.
«Deine Großmutter verstand etwas
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