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Fossil

Fossil

Titel: Fossil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caitlín R. Kiernan
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hat.»
    «Hat sie den Kreis gezogen?», fragt Dancy und fährt den ungleichmäßigen nachlässigen Strich mit dem Finger nach.
    «Soweit ich weiß, schon, aber ganz sicher bin ich nicht.»
    «Die hier sind alle tot.» Das war nicht wirklich eine Frage, aber Chance fühlt sich sicherer, wenn sie redet, also beantwortet sie sie dennoch.
    «Ja, das stimmt. Trilobiten sind am Ende des Perms ausgestorben. Der Zeitraum gehört für Paläontologen zu den ‹großen Fünf› – die fünf großen Wellen massenhaften Artensterbens. Die vierte hat die Dinosaurier erwischt.»
    «Hübscher Vortrag», sagt Deacon, macht noch einen Schritt auf das Fenster zu und steckt sich eine Zigarette an.
    «Sie wollte es doch wissen, Deke. Sie hat gefragt, und ich erkläre es eben. Was zum Teufel willst du eigentlich von mir?»
    «Schon okay», sagt Dancy und lächelt leicht, wobei sie an Chance vorbei zu Deacon schaut. «Ich muss das alles wissen.» Noch einmal fährt sie mit dem Finger über den roten Kreis. «Kreise bannen das, was in ihrer Mitte ist, Kreise beschützen», sagt sie, und wieder schwingt ein leises Echo der alten Frauenstimme mit, nur ein kleiner Hauch, aber das reicht, damit Chance erneut Gänsehaut bekommt.
    «Sie halten Dinge fest oder halten uns fern», sagt Dancy, flüstert es fast, es ist beinahe ein Singsang. Sie beugt sich weiter hinunter zum Buch, das leichte Lächeln ist verschwunden. Sie legt den Kopf dabei schief wie eine Katze, neugierig, aufmerksam, sie überlegt, die Augen blicklos. «Kann man die hier finden?», fragt sie Chance schließlich.
    «Nein. Na ja, gewissermaßen. Diese Art, der Monstrosus, stammt aus Afrika, aber ich glaube, es gibt noch eine andere Dicranurus- Art aus dem Devon in Oklahoma. Über welche aus Alabama habe ich zumindest noch nichts gehört, aber ich vermute mal, es ist nicht unmöglich, dass hier auch welche sind. Afrika und Alabama waren damals noch miteinander verbunden, so wie die Kontinentalplatten damals lagen…»
    «Monstrosus», sagt Dancy sanft und unterbricht Chance. Sie wirkt aufgeregt und redet offenbar mit sich selbst, nicht mit den anderen. Dann steht sie auf, entzieht sich Sadies Umarmung, und die Wolldecke rutscht zu Boden. Chance bewegt sich nicht, sitzt mit dem Buch auf den Knien da und überlegt krampfhaft, was sie wohl jetzt am besten tut. Es ist bestimmt nicht gut, dass Dancy sich plötzlich so aufregt nach dem Vorfall in der Küche.
    «Damit hat es also angefangen», flüstert Dancy – ein leises Flüstern wie bei einer Erleuchtung oder Offenbarung. «Und hier endet es.» Sie zeigt auf das Buch, die Zeichnungen und den roten Kreis. «Genau hier, Chance.»
    «Was? Wo hat was bitte angefangen?» Doch Dancy ist schon an Chance und dem Couchtisch vorbei und aus dem Wohnzimmer hinaus in den Flur.
    «Wo will sie hin, verdammt?», knurrt Deacon und dreht sich endlich von Fenster weg.
    «Woher zum Teufel soll ich das wissen?», knurrt Chance zurück, schließt das Buch und legt es behutsam auf den Couchtisch.
    «Vielleicht sollten wir ihr einfach hinterhergehen und es herausfinden», sagt Sadie. «Es sei denn, einer von euch beiden hat eine bessere Idee.» Chance sieht Sadie Jasper nicht an, weil sie kurz davor ist, ihr zu erklären, dass sie die Klappe halten und verschwinden soll, ja, kurz davor, sie alle drei hinauszuwerfen. Sie fährt sich durchs braune Haar, seufzt einen lauten müden Seufzer und sieht über die Schulter wieder zu Deacon.
    «War ‹Kein Scheiß mehr› dein Ernst?», fragt sie, und es ist ihr egal, ob es sarkastisch klingt oder schon wieder wütend.
    «Möglicherweise ist es ein Anfang», antwortet er, und dann folgen sie alle drei Dancy, Sadie voran, Chance als Letzte.
    Dieser kleine blaue Raum hinten im Haus ist noch nie für etwas anderes genutzt worden, als darin Pappkartons und Holzkisten zu stapeln, zumindest nicht, solange Chance sich erinnern kann. An den hellen sonnenbeschienenen Wänden stehen durchgebogene Regale aus Sperrholz und Metall. Einige der Kisten sind beschriftet, andere nicht. Ordentliche und weniger ordentliche Kisten und Kartons, die überquellen von Leinen- und Plastikbeuteln mit gesammelten Objekten. In den Ecken stehen Spitzhacken und Schaufeln, eine Hacke mit zerbrochenem Griff, Fliegendrahtsiebe für Schieferstückchen und den orangeroten Lehm von verwittertem Kalkstein. Jede Menge Campingausrüstung und eine bunt gemischte Auswahl an Gartengeräten, eine rostige Schubkarre und ein ölverschmierter Rasenmäher, dem

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