Fotostudio Plange I (German Edition)
auch mal das Kapitel über
Verdauung nach. Wenn du das Ganze fünf-, sechsmal gemacht hast, wirst du dich
besser auskennen und wissen, wie du es am besten machst. Learning by Doing!“
Elternsprechtag! Ein Horror für jeden Schüler und ein
Schrecken für jeden Elternteil bedenkt man die langen Wartezeiten vor den
einzelnen Gesprächen mit den Mitgliedern des Lehrkörpers und den Inhalten, die
man dann in der kurzen Dauer der einzelnen Gespräche eventuell erfahren konnte.
Aber es war die erste Veranstaltung dieser Art in meinem Leben, jedenfalls als
Erziehungsberechtigter eines Heranwachsenden.
Als Service der Schule gab es für jeden Schüler einen
Zettel mit entsprechenden Lehrern, dem jeweiligen Fach und dem Raum, in welchen
sich besagter Pädagoge befindet. Ich blickte auf die Liste, 14 Personen plus
Stufenleiter. Als ich dort Kaltenbach las, kam ich ins Grübeln. Zu
Studienzeiten hatte ich in Münster mal was mit einem Lars Kaltenbach, der
studierte auf Lehramt, aber so selten ist der Name nun auch wieder nicht.
Ich nahm Marvin mit zu den Aussprachen, denn eventuelle
Rückfragen konnte man so sofort vor Ort klären. Aber bis auf die
Geschichtslehrerin, einer Frau mit komischem Doppelnamen, die eine schlechte
Vortragsweise bei einem Referat bemängelte, und dem Sozialkundepädagogen,
ebenfalls mit Doppelnamen, dem Marvins Geschlechterrollenauffassung zu
konservativ war, wurde der kleine nur über den grünen Klee gelobt. Anscheinend
war schulisch alles in Ordnung! Gott sei Dank!
Die Gespräche begannen fast immer gleich: „Ah, Herr
Plange! Endlich mal ein Vater, der sich für die schulischen Leistungen seines
Sohnes interessiert.“ Bei den ersten beiden Lehrern, Werthaus in Deutsch und
Grabner in Mathematik, klärte ich den Sachverhalt noch auf, bei den anderen
wurde es mir dann aber zu müßig, das Verwandtschafts- und Sorgeverhältnis zu
erläutern und schwieg daher, sollten sie doch denken, was sie wollten. Bis zum
Mittag schafften wir acht Fächer und wollten was Essen, mein Magen knurrte.
Beim Verlassen des Gebäudes kamen wir gegen kurz vor
zwölf am Klassenraum des Stufenleiters vorbei. Die Schlange davor hatte sich, bis
auf eine fettleibige Dame mit strähnigen Haaren, aufgelöst. Ich blickte zu Marv
und meinte: „So. Den machen wir noch und dann gibt es was zu futtern!“
„Bei dem hab ich aber nichts!“
„Egal! Das ist dein Stufenleiter, der müsste eigentlich
alle Informationen haben. Wenn der auch nichts Negatives über dich zu berichten
weiß, dann schenken wir uns den Rest und nehmen uns den Nachmittag frei. Was
hältst du von einer Partie Bowling mit deinem alten Onkel?“
„Einverstanden!“
Wir setzten uns und warteten. Um fünf nach zwölf öffnete
sich die Tür und die dicke Dame im blauen Kittelkleid trat heraus und bedankte sich
noch einmal. Marvin gab mir einen Stoß in die Seite und schlüpfte durch die
Tür, ich folgte ihm.
„Ah, Familie Plange. Setzen sie sich!“ Der Lehrer kramte
in seinen Unterlagen und suchte wohl nach dem entsprechenden Hefter.
Marvin hatte schon Platz genommen und schob mir den Stuhl
hin. Ich traute meinen Augen nicht, wen ich da vor mir sah. Oberstudienrat
Kaltenbach öffnete den Ordner und blickte auf. Ihm fiel die Kinnlade runter.
„Stefan? Stefan Plange?“
„Genau der steht vor dir Lars!“
„Das gibt es nicht! Wie lang ist das jetzt her? Zwölf,
dreizehn Jahre?“
„So in etwa! Aber warte mal! Ich bin mit 23 aus Münster
weg nach London und bin heute 38. Das sind das dann, nach Adam Riese, 15 Jahre,
mein Lieber! Ich könnte mich heute immer noch kaputtlachen, wenn ich an das
letzte Nacktbaden im Aasee denke und wie wir damals von der Polizei abgeführt
wurden.“
Er lachte, hatte er doch wohl das gleiche Bild vor Augen.
„Hör auf! Mir ging der Arsch auf Grundeis! Was meinst du, was für Angst ich
hatte, dass man mich nicht zum Examen zulässt. Hatte echt Glück! Aber sag mal,
seit wann bist du Vater? Ich wusste nicht, dass du einen Sohn hast! Hab ich
damals was verpasst?“ Er blickte erst auf mich und dann auf Marvin.
„Ich hab auch keinen Sohn! Der Kleine hier ist leider nur
mein Neffe, aber im Moment hab ich das Sorgerecht für ihn, also ist er fast
mein Sohn. Mein Bruder und seine Familie sind ja nach Australien und der Große
ist hier bei mir geblieben.“
„Na dann kann ich dich nur beglückwünschen! Marvin ist
wirklich ein guter Schüler und ein guter
Weitere Kostenlose Bücher