Fotostudio Plange I (German Edition)
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erhältlich:
Eine kleine
homoerotische Erzählung über ein Abiturtreffen nach 25 Jahren mit einigen
Überraschungen;
geschätzte 135 Seiten.
Bittere Tränen
Eigentlich ist es ja nicht gerade die feine englische
Art, sich am Kummer eines anderen erfreuen zu wollen, aber ich denke mal, es
ist eher die Anteilnahme an Marvins Schicksal, die euch zu den vielen Antworten
inspiriert hat. Der alte Satz, dass geteiltes Leid halbes Leid ist, scheint
sich wieder einmal zu bewahrheiten. Von daher berichte ich euch, wenn auch nur
ungern und mit einem flauen Gefühl im Magen, von den wohl schwersten Tagen im
Leben meines Neffen.
Tja, Marvins schwarze Tage begannen eigentlich mit einer
Verspätung seines Liebsten. Nach dem Bowling hatte Marvin Sebastian eine SMS
mit der Bitte geschickt, ihn um Viertel vor sieben abzuholen. Dass der Kleine
den Abend nicht mit seinem Stufenleiter verbringen wollte, konnte man
nachvollziehen: Welcher Schüler ist schon freiwillig gerne mit seinem Lehrer
zusammen?
Ich hatte auch, ehrlich gesagt, nichts dagegen, denn
meine Jugendsünden mussten ja nicht unbedingt beim gemeinsamen Abendessen mit
Lars breit getreten werden! Das Nacktschwimmen in Münsters Aasee war noch einer
der harmlosesten Episoden aus meinem sexuell ziemlich bewegten Studentenleben.
Wie auch immer, hätte Sebastian sich nicht verspätet,
wäre die Lawine, die Marvins Gefühlswelt unter sich begraben sollte, nicht so
schnell und so heftig ausgelöst worden. Vielleicht hätte man noch etwas retten
können, auch wenn das meiner Ansicht nach eher unwahrscheinlich gewesen wäre,
aber egal.
Ehe ich mich verzettel, alles lieber der Reihe nach: Es
ist Viertel vor sieben und kein Sebastian da! Das Telefon klingelt Marvin nimmt
den Hörer ab! Mein Neffe glaubte wohl, seinen Liebsten am Rohr zu haben, aber
leider trog die Hoffnung. Er hauchte mir nur „Oma!“ entgegen und verdrehte die
Augen. Das Gespräch würde dauern.
Tja, da musst du durch, dachte ich und grinste. Karin
Tillenbach, Claudius Mutter, ist zwar eine äußerst liebe und nette Person und
für ihre 76 Jahre noch unheimlich fit und agil, aber leider auch etwas
schwerhörig, was die Kommunikation mit ihr nicht gerade einfach macht. Sie kann
zwar unheimlich gut von den Lippen ablesen (was sie aber nie zugeben würde!),
aber Gespräche mit ihr am Fernsprecher gestallten sich eher schwierig, denn
über ein Bildtelefon verfügen wir leider nicht.
Fünf Minuten später klingelte es an der Tür, ich drücke
auf und Sebastian stand im Hausflur. Hochgehen wollte er anscheinend nicht, er
rief nur: „Marvin!“
„Komm rauf Sebastian, Marv telefoniert noch mit seiner
Oma! Das kann dauern. Du kannst hier oben auf ihn warten!“ Er kam hoch,
begrüßte mich und verschwand in Marvins Zimmer.
Weitere fünf Minuten später klingelte es erneut. Ich
betätigte den Öffner und rief in den Hausflur: „Lars?“
„Ja!“
„Komm rauf! Erster Stock!“
Er kam die Treppe herauf und wir begrüßten uns an diesem
Tag zum zweiten Mal, diesmal allerdings mit Kuss. Während ich ihm die Garderobe
abnahm, öffnete sich Marvins Zimmertür und die beiden traten heraus in den
Flur. Marvin stellte das Telefon auf die Station und reichte seinem Lehrer die
Hand. „Guten Abend, Herr Kaltenbach!“
„Hallo Marvin! Guten Abend äh …“
Er erstarrte, auch Sebastians Gesicht veränderte sich,
aber so genau bekam ich das nicht mit, denn in diesem Moment drückte mir Marvin
einen Kuss auf die Wange. „Wir sind dann mal in der Eishalle! Viel Spaß beim
Essen!“
Die beiden verschwanden und ich griff nach der Hand von
Lars und führte ihn ins Wohnzimmer. „Was zu trinken?“
„Gerne! Am liebsten einen Rotwein, wenn du hast!“
„Aber immer doch!“ Ich ging in die Küche, öffnete einen
Bordeaux und kam mit Flasche, Gläsern und der Karte des Pizzaservices zurück
ins Wohnzimmer. Mein alter Freund aus Studientagen hatte sich bereits gesetzt.
Wir bestellten und während der nächsten zwei Stunden
schlossen wir einige Lücken, wir hatten uns ja Ewigkeiten nicht mehr gesehen
und somit viel zu bereden. Er berichtete über sein Leben, ich über meins. Ein
besonderer Abschnitt nahm natürlicherweise meine Rückkehr in die Heimat ein -
Lars kannte die Probleme, die ich mit meinem Vater hatte. Das letzte Kapitel beschäftigte
sich – fast wie selbstverständlich – mit Marvin, meinen kleinen großen Neffen.
„Stefan,
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