Fotostudio Plange I (German Edition)
Junge, wenn man das so sagen kann!
Wenn alle so wären wie er, hätte ich nicht viel Arbeit! Aber leider sind nicht
alle so pflegeleicht.“ Er blickte und grinsend an.
„Dann bin ich ja beruhigt!“
„Kannst du auch! Aber ich hoffe, es dauert nicht wieder
15 Jahre, bis wir uns wiedersehen.“
Wir lachten beide. „Ganz bestimmt nicht! Spätestens beim
nächsten Elternsprechtag! Aber warte! Machen wir gleich Nägel mit Köpfen: Was
machst du, wenn du hier fertig bist?“
„Dann fahre ich nach Hause, werde mir eine Tiefkühlpizza
in den Ofen schieben, mich mit einem guten Buch auf die Couch legen und dann um
elf allein ins Bett zu gehen, wie seit fünf Jahren jeden Abend.“ Er klang
leicht frustriert.
„Dann ändern wird das heute, jedenfalls bis auf das Bett!
Eine Pizza kann ich auch bestellen. Also, wie sieht es aus? Gemeinsames
Abendessen? Wie in alten Zeiten?“
„Warum eigentlich nicht? Sagen wir um sieben?“
„Einverstanden! Die Adresse hast du ja!“
„Alles klar und nun aber raus hier. Ich will mir noch ne
Kleinigkeit zwischen die Kiemen schieben, ehe es gleich weitergeht.“ Wir
verließen das Klassenzimmer und er schloss die Tür ab. Wir verabschieden uns
mit Handschlag und Marv und ich machten uns auf den Weg zum Imbiss. Er war
anscheinend sprachlos, dass sein Stufenleiter und ich uns von früher her kannten
und wahrscheinlich nicht nur angezogen in der Uni.
Erst als wir am Tisch des Schnellimbisses saßen und
unsere Currywurst, Fritten weiß hatten, fand Marvin seine Sprache wieder. „Find'
ich ja echt krass!“
„Was denn?“?
„Das Kaltenbach auch ein warmer Bruder ist!“
„Wieso? Haben Lehrer kein Recht auf ein Sexualleben?“
„Das meine ich nicht! Was meinst du, was die Jungs sagen
werden, wenn ich ihnen das erzähle!“
„Nichts! Denn du wirst schön die Klappe halten und kein
Wort darüber verlieren, mein lieber Neffe!“
„Wieso?“ Er stocherte in seinen Fritten herum.
„Nenn es Tuntensolidarität, aber du wirst ihn nicht
outen, unter keinen Umständen! Der Schuss wird zwangsläufig nach hinten
losgehen und noch zwei andere Menschen in Schwulitäten bringen.“
„Und wer sollen diese Leute bitte sein?“
„Wir! Du und ich!“
„Versteh ich jetzt nicht! Bei Kaltenbach als Lehrer kann
ich mir das ja noch vorstellen, von wegen Lehrer und Schüler und so! Aber was
hat das mit uns zu tun?“ In seinem Gesicht spiegelten sich Fragezeichen. Kann
die Jugend eine lange Leitung haben!
„Marvin! Wenn du es deinen Schulkollegen erzählen
würdest, was würde euch das bringen? Etwas Spaß, ihr würdet lachen und Scherze
über ihn machen, aber mehr auch nicht. Aber das Leben von Lars würde erheblich
komplizierter und einen täglichen Spießrutenlauf möchte ich ihm nun wirklich
nicht zumuten. Aber deine Leute sind ja auch nicht ganz auf den Kopf gefallen,
oder? Nachdem deine Freunde dann ausgelacht haben, werden sie sich fragen,
woher du das weißt! Was willst du sagen? Dass dein Onkel mal im letzten
Jahrhundert eine Affäre mit ihm hatte?“
„Äh, daran hab ich gar nicht gedacht!“ Er wurde etwas
kleinlaut.
„Das dachte ich mir, dass du mich daran gedacht hast,
mein Engel! Wenn du meine Episode mit Lars publik machst, wirst du ins
Rampenlicht deiner Leute treten. Seit wann hast du keine Freundin mehr?“
„Kurz vor meinem Geburtstag hab ich mich von Janine
getrennt, also knapp ein Jahr!“
„Genau, und weshalb wohnt ein Schwimmstar, der seit einem
Jahr keine Freundin mehr hat, lieber hier bei seinem schwulen Onkel, anstatt
mit seinen Eltern ins Schwimmparadies Australien auszuwandern?“
Er wurde immer leiser. „Weil er auch schwul ist?“
Ich nickte. „Genau! Und jetzt sag mir mal, was besser
ist: der kurze Lacher oder die langen Folgen?“
„Dann halt ich wohl besser die Klappe!“
Tja, lieber Leser, das war einer der Wendepunkte in
unserem Zusammenleben. Für die Neugierigen unter euch kann ich sagen, dass Wiedersehen
mit meiner alten Affäre aus Studientagen erhebliche Folgen hatte, aber nicht
unbedingt für mich, Marvin war der Leidtragende und das in zweierlei Hinsicht.
Aber dieses traurige Kapitel aus seinem Leben will ja wohl niemand lesen, ein
Film mit Happy End macht ja mehr Spaß als ein Dokumentarfilm über das reale
Leben, oder?
Falls doch, bitte ich um entsprechende Rückmeldung *fg
Ebenfalls bei
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